Wir nehmen uns immer mit – Beziehungsdynamische Perspektiven auf Polyamorie
Beschreibungen in einschlägigen Foren und Veröffentlichungen oder von Verfechtern polyamorer Lebensmodelle legen häufig die Vermutung nahe, man könne sich für eine bestimmte Beziehungsform entscheiden. So wird teils historisch argumentiert, teils versucht mit biologischen Erklärungen zu untermauern, dass polyamor zu leben folgerichtig und natürlich ist. Die Argumente sind meist schlüssig und überzeugend und wer kennt nicht in sich die Sehnsucht danach, Liebe und Verbundenheit mit mehreren Menschen zu teilen anstatt in Beziehung mit einem Menschen denjenigen bedrückenden Mechanismen zu unterliegen, die schon Loriot so treffend beschrieben hat. Doch ist es wirklich möglich, sich für eine bestimmte Beziehungsform zu entscheiden? Ist Liebesfähigkeit vom Beziehungsmodell abhängig? Kann eine Beziehungsform dazu führen, die eigene Liebe soweit freizusetzen, dass sie mehreren Menschen zuteilwerden kann? Polyamorie ist ein Zustand, eine innere Haltung und kein Verhalten, zu welchem man sich ohne weiteres entscheiden kann. Mehrere Beziehungen, die auf Liebe basieren, zu führen ist keine Frage des Tuns, sondern eine Frage dessen, ob man den Raum betreten kann, in dem Liebe herrschen kann. Kennzeichen dieser Liebesfähigkeit ist das Freisein von Ängsten. Nur wenn wir von Vorbehalten uns selbst gegenüber absehen können, wird es uns möglich, den neugierigen Blick auf einen anderen Menschen zu richten und diesen mit Wohlwollen und Liebe zu betrachten. Doch dies lässt sich nicht planen wie eine Handlung, für die man sich entscheiden kann. Angstfreiheit entsteht durch Auseinandersetzung mit uns selbst und dann, wenn wir uns mit den eigenen Schattenbereichen auseinandersetzen – mit den Bereichen in uns also, die wir in der Regel ablehnen und ausgrenzen, weil sie nicht zu dem Selbstbild passen, dem wir uns verpflichtet fühlen. Aus Beziehungsdynamischer Sicht ist Freisetzung und Entwicklung der Liebesfähigkeit ohne Schattenarbeit nicht möglich. Wir nehmen uns in jede Beziehung mit. Damit besonders unsere Erfahrungen und unsere Vorstellungen davon, was „richtig“ oder „falsch“, „normal“ oder „anormal“ ist. Erkenntnisse der modernen Hirnforschung belegen, dass Rollenbilder und Beziehungs- sowie Liebesskripte, die wir in unserer Entwicklung verinnerlicht haben, uns und unsere Wahrnehmung maßgeblich beeinflussen – ob wir es wollen oder nicht. Wie in Drehbüchern sind Muster in uns gespeichert, die dann zur Grundlage für die Beziehungen werden, die wir eingehen. Diese Beziehungsmuster und -Dynamiken werden zumeist erst dann dem Bewusstsein zugänglich, wenn in unseren Beziehungen und in unserem Leben etwas „schiefläuft“. Erst dann kann es möglich werden, die Grenzen der eigenen Liebesfähigkeit zu erkennen und darüber hinauszugehen. Auch wenn uns in einigen Kontexten vermittelt wird, dass wir uns selbst Kraft unseres Bewusstseins gestalten und „positiv“ wandeln können, liegt das größte Potenzial zur Selbstentwicklung im Unbewussten und dort im persönlichen Schattenbereich. Diesen zu erobern ebnet den Weg zur Entwicklung von Liebes- und Beziehungsfähigkeit. Eine Beziehungsform kann diesen Bewusstseinsprozess beschleunigen, indem sie Ängste und Widersprüche erfahrbar macht und uns an die Grenzen führt. Die Wahl einer Beziehungsform an sich kann aber keine Lösung sein. Sie kann sogar Teil des „Problems“ werden und damit persönliche Entwicklung verhindern, wenn sie nicht geeignet ist, eigene Beziehungsmuster aufzuweichen und zu transformieren. Hier einige Beispiele: In der therapeutischen Praxis treffe ich viele Menschen, die Nähe zu anderen Menschen in ihrer persönlichen Geschichte nicht unbedingt als etwas Erstrebenswertes erfahren haben. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass Liebe bedrohlich und mit hohen Kosten verbunden ist, indem sie emotional überlagert oder missbraucht wurden. Um in Beziehungen Nähe zu vermeiden und zugleich der eigenen Isolation zu entrinnen, „sexualisieren“ viele ihre Beziehungen. Somit wird Nähe und Verbundenheit „wegvögelt“, anstatt das einzulösen, was in der Beziehung eigentlich ansteht. Auch verbindliche Zweisamkeit kann revolutionär und heilsam sein Fällt es einem Menschen schwer, sich einzulassen und sich auf einen anderen Menschen zu beziehen, dann kann es viel heilsamer sein, sich auf nur einen Partner oder eine Partnerin zu beziehen. Mit diesem Menschen kann er das Streiten lernen, die eigene Bedürftigkeit erfahren und erleben, wovor er eigentlich Angst hatte, bevor er sich verbindlich auf einen anderen Menschen eingelassen hat. In einer verbindlichen Zweierbeziehung kann eine neue Erfahrung von Tiefe und Verbundenheit gefunden werden. Die eigenen Beziehungen zu öffnen und sich polyamoren Prinzipien zu verpflichten, kann unsere Beziehungsvorstellungen aufmischen und das Selbstbild infrage stellen. Wenn Du bereits Stress mit einer Beziehung hast, wie ist es dann erst, wenn Du glaubst, es zwei Partner/innen recht machen zu müssen? Dieses „Problem“ lässt sich nur lösen, indem man alte und hinderlichen Haltungen über Bord wirft, da ansonsten eine Beziehung zu mehreren Menschen auch zur persönlichen Hölle werden kann. Beziehungen sind nicht dazu da, um zu funktionieren! Wenn wir dies vor Augen haben, dann kann gerade eine polyamore Lebensweise zum Motor der persönlichen Entwicklung werden. Diejenigen Aspekte werden sich verdeutlichen, die sich unserer Liebesfähigkeit entziehen und schnell kann bewusstwerden, was unserer Liebe und Selbstliebe entgegensteht. Die häufig thematisierte Eifersucht ist Ausdruck eben dieser Ängste und Aspekte unseres Selbst, die nach Integration verlangen. Psychologisch gesehen bewegen wir uns in Beziehungen und in unserem Leben beständig zwischen zwei Polen: Autonomie und Bindung. Bewegen wir uns zu sehr zur einen Seite, dann zeigt sich uns die andere Seite als Schatten und in kindlicher Weise; und das häufig im Verhalten des Partners/ der Partnerin. So kann es sein, dass besonders polyamor engagierte Menschen immer wieder und scheinbar zufällig Partner/innen treffen, die sich eigentlich eher nach einer ausschließlichen Zweierbeziehung sehnen oder in Richtung einer Zweierbeziehung engagiert sind. In sog. symbiotischen Beziehungen, in denen sich beide Partner eher über das „wir“ definieren und die persönlichen Ängste ausgrenzen, ist in der Regel das „Ich“ tabuisiert. Man hat sich darauf geeinigt, die eigenen Bedürfnisse und Egoismen zu verheimlichen und der angeblichen Liebe unterzuordnen. Dieser „faule Kompromiss“ hat Auswirkungen und so begegnet beiden „das Ich“ dann in Autonomiekämpfen, Streits oder (heimlichen) Ausbrüchen oder Ausbruchsversuchen. In Beziehungen begegnet uns der eigene Schatten im Anderen Nur persönliche Transformation kann dieses ewige Dilemma zwischen Autonomie und Bindung lösen. Nur, wenn wir in Beziehung und zugleich vollkommen (egoistisch) bei uns selbst sind, können wir den oder die Partner/innen sehen und lieben. Fazit: Beziehungen bringen uns zwangsläufig an unsere Grenzen, fordern uns auf, diese zu akzeptieren und diejenigen Aspekte unseres Selbst, die sich uns zeigen, zu integrieren. Eine Beziehungsform an sich ist weder gut noch
Inhalte im fünften Seminar unserer Fortbildung in Sexualtherapie
Im fünften Seminar unserer Fortbildung in Sexualtherapie steht das Thema Beziehungsmuster und Beziehungsdynamiken im Fokus. Hier beschäftigen wir uns auch mit zwischenmenschlichen Konflikten und dem, was dahintersteckt und auch, wie wir das versteckte Potenzial in partnerschaftlichen und auch innerpsychischen Konflikten wecken können. Auch sexuelle Störungen stehen in einer bestimmten Beziehungsdynamik, sie sind nicht unabhängig von verinnerlichten Beziehungsmustern zu betrachten. Um die Dynamik verstehen und auch beeinflussen zu können, erhielten die Teilnehmer/innen in diesem Seminar einen vertiefenden Einblick in eigene Beziehungen und deren Dynamiken. Die eigenen Muster werden reflektiert und anhand ihrer Auswirkungen in Partnerschaften und in Bezug auf die Selbstbeziehung illustriert. In diesem Seminar erfuhren die Teilnehmer/innen in körperlichen Therapieübungen die Wirkung körperorientierter Arbeitsweisen. Entsprechend nutzbares Handwerkszeugs wird vermittelt und reflektiert. Dabei geht es uns vornehmlich um die Erfahrung einer unserer therapeutischen Prämissen: wahrhaftiger Ausdruck auch tabuisierter Emotionen und Regungen und zugleich in Kontakt bleiben. Außerdem haben die Teilnehmer/innen unserer Fortbildung geübt, Klienten dazu einzuladen, die eigenen Tabubereiche zu erkunden, zu betreten und zu weiten.
Erfahrungsbericht Fortbildung Beziehungsdynamische Sexualtherapie 2013 – 2015
Nach einer Paartherapie am Institut, die meine Neugierde auf die dort erlebte Arbeitsweise geweckt hatte, entschied ich mich 2013 dazu, an der zweijährigen Fortbildung für Paar- und Sexualtherapie teilzunehmen.In erster Linie lag mein Interesse in der Erkundung meiner eigenen Beziehungsmuster und der Entwicklung einer größeren Beziehungsfähigkeit. Das Konzept (Erlernen von Theorien und Arbeitsweisen vor allem durch eigenes Erleben anhand verschiedener Übungen), sowie die Zeitspanne (über zwei Jahre regelmäßige Treffen mit der Gruppe) führten gleich zu Beginn zu einem intensiven Selbsterfahrungsprozess, der durch die Gruppe einerseits enorm verstärkt, andererseits auch liebevoll getragen wurde.Durch verschiedene Formate, bei denen Körperarbeit und Tanz immer wieder eine große Rolle spielten, wurde es ermöglicht, eigene Bilder und Bewertungen zu hinterfragen. Welches Frauen- bzw. Männerbild trage ich mit mir herum, wie stehe ich zu bestimmten sexuellen Neigungen, welche Beziehungsformen favourisiere ich und kann ich andere als genauso gleichwertig stehen lassen? Mich hat in diesen zwei Jahren neben der Authentizität der beiden Fortbildungsleiter besonders die Arbeitsweise an dem Institut berührt: es geht nicht um moralische Bewertung von sexuellen Neigungen oder einem „richtig“ und „falsch“. Vielmehr wird der Schwerpunkt auf Dynamiken in Beziehungen gelegt, die dem Klienten/der Klientin anhand verschiedener Methoden gespiegelt werden.Die Haltung des/der TherapeutIn wird stark in den Fokus genommen, da sie bei dieser Arbeit von großer Bedeutung ist. Das erfordert eine ständige Bereitschaft des Therapeuten/der Therapeutin, sich eigene Widerstände und Themen anzugucken, wodurch sich statt einer starren dogmatischen therapeutischen Haltung immer wieder ein lebendiger Prozess entwickeln kann, der sich am „Hier und Jetzt“ orientiert. In den zwei Jahren darf sich jeder Teilnehmer/In eingeladen fühlen, mit sich und den anderen in einen tiefen Wandlungsprozess einzusteigen, sich selbst und die Schattenseiten immer mehr ins Licht zu rücken und Verhaltensmuster zu hinterfragen. Das kann mitunter sehr schmerzhaft sein und große Widerstände freispielen, bringt aber am Ende ein Stück mehr Freiheit und Handlungsspielraum und ermöglicht im Folgenden ein tiefes Arbeiten mit Klinenten und Klientinnen. Die beiden Fortbildungsleiter Bettina Vibhuti Uzler und Robert A. Coordes verstehen es, auf liebevolle Weise Räume für innere Prozesse zu schaffen und diese mit großem Fingerspitzengefühl in einer Balance zu halten: auf der einen Seite spitzen sie bestimmte Gefühle und Situationen zum Beispiel durch Spiegeln von Widersprüchen zu und führen die Beteiligten dadurch behutsam an ihre Grenzen; auf der anderen Seite wird immer ein sicherer Rahmen gegeben, in dem das Tempo und die Gefühle des Klienten/der Klientin ihren Raum finden. Diese zwei Jahre haben mein Leben sowohl im Privaten, als auch im Beruflichen stark bereichert.Meine Beziehung bekam immer wieder frischen Input und es wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der mit Abklingen der Fortbildung keinesweges endet, sondern nur einen Grundstein für die Weiterentwicklung gelegt hat. Ich fühle mich befähigt, viel eher meine eigenen Muster zu erkennen und aus ihnen auszusteigen. Dadurch kann ich auch freier und unbefangener mit Menschen arbeiten. Dafür, und für die großartige gemeinsame Zeit bin ich sehr dankbar! Janna Dresel, Berlin
Die Wahrheit beginnt zu zweit
“Eigentlich wollten wir einfach glücklich sein, aber wir konnten nicht miteinander reden.”
Die neue Lustschule. Sexualität und Beziehungskultur
Entspannter Umgang mit der Lust. Guter Sex ist in erster Linie keine Frage von Stellungen und Techniken.
Die Liebesfalle
Die Liebesfalle: Spielregeln für eine neue Beziehungskultur Taschenbuch – 1. September 2010 von Hans-Joachim Maaz (Autor) Hans-Joachim Maaz, der Autor des Bestsellers ›Der Lilith-Komplex‹, stellt hier die Frage: Wie können wir den Gefühlsstau in unseren Beziehungen auflösen und zu einer neuen, durch Ehrlichkeit und Offenheit geprägten Beziehungskultur finden?
KUNYAZA – Die afrikanische Liebeskunst
KUNYAZA bezeichnet eine uralte afrikanische Sexualpraktik, bei der es vor allem um die Lust der Frau geht.
Paarbeziehungen und Sexualität. Paartherapie und Sexualtherapie in der Moderne und Postmoderne
2012 wurde eine Inhaltlich unveränderte Neuauflage veröffentlicht.
Zur Beschreibung: Unser Verständnis von Sexualität, sowie unser Verständnis von Paarbeziehungen unterliegen ständigen gesellschaftlichen und individuellen Wandlungsprozessen.
Intimität und Verlangen
Der neue David Schnarch! Überraschende Entdeckungen über Lust, Liebe, Intimität Abnehmendes sexuelles Interesse ist in einer Langzeitbeziehung normal.
Liebesspiele CD – Eine Anleitung für sinnliche Stunden von Nina Kramer, Jens J. Kramer, Michaela Merten, Pierre Franckh
Verschiedene Anleitungen für erotische Liebesspiele regen dazu an, sich selbst und den Partner auf spielerische Weise neu zu entdecken: