Sexueller Missbrauch in der Kindheit hat weitreichende Folgen für die betroffenen Personen. Diese reichen von psychischen Belastungen bis hin zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sexualleben. Psychotherapeutische Institute und Fachkräfte stehen vor der Herausforderung, geeignete Behandlungsansätze zu finden, um den Betroffenen effektiv zu helfen. Dazu werden „auf dem Markt“ verschiedene, auch neue Vorstellungen im Bereich der Traumatherapie und des traumasensiblen Vorgehens angeboten und diskutiert.
In diesem Blogbeitrag werden die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit untersucht und verschiedene Behandlungskonzepte vorgestellt und kommentiert. Unser Ziel ist es, das Thema aus dem tabuisierten Bereich zu lösen und Menschen, die sexuellen Missbrauch in der Kindheit erlebt haben, verschiedene Optionen zu vermitteln.
Wir am Berliner Institut für Beziehungsdynamik arbeiten seit 2006 mit Menschen, die unter sexuellen Störungen leiden oder in partnerschaftlichen Krisensituationen nach Unterstützung suchen. Wenn Sie Sexualtherapie oder Psychotherapie bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit in Anspruch nehmen willen, dann nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.
Was gilt als sexueller Missbrauch?
Sexueller Missbrauch ist eine Form der sexuellen Gewalt, bei der eine Person gezwungen, genötigt oder manipuliert wird, sexuelle Handlungen auszuführen oder zu erdulden, die sie nicht will oder versteht. Diese Handlungen können sich verschiedenartig zeigen, verschiedene Formen annehmen und variieren in ihrem Schweregrad. Wichtige Aspekte und Voraussetzungen des sexuellen Missbrauchs sind:
- Machtungleichgewicht: Der Täter oder die Täterin nutzt seine Machtposition, sei es durch körperliche Überlegenheit, Autorität oder psychologischen Druck, um das Opfer zur Teilnahme an sexuellen Handlungen zu zwingen.
- Fehlende Zustimmung: Die betroffene Person gibt keine informierte, freiwillige und klare Zustimmung zu den sexuellen Handlungen. Besonders bei Kindern ist die Zustimmung aufgrund des Alters, der emotionalen und kognitiven Unreife nicht möglich.
- Manipulation und Täuschung: Täter können psychologische Manipulation oder Täuschung einsetzen, um das Opfer zu sexuellen Handlungen zu überreden oder zu zwingen.
Verschiedene Formen sexuellen Missbrauchs
- Berührungen und körperliche Übergriffe: Dies umfasst unerwünschte Berührungen, Küsse, Berührungen an intimen Körperteilen oder erzwungener Geschlechtsverkehr.
- Nicht-körperliche Handlungen: Dazu gehören das Zeigen pornografischen Materials, sexuelle Handlungen vor dem Opfer, verbale sexuelle Belästigung oder die Nutzung von Technologie, um sexuelle Handlungen zu erzwingen (z.B. durch Sexting oder die Verbreitung intimer Bilder ohne Zustimmung).
- Inzest: Sexueller Missbrauch innerhalb der Familie, der von Familienmitgliedern wie Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten ausgeht.
Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs auf die psychische Gesundheit
Sexueller Missbrauch in der Kindheit führt häufig zu schwerwiegenden, oft tiefgreifenden psychischen, emotionalen und physischen Problemen. Studien zeigen, dass betroffene Personen ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) haben. Diese psychischen Belastungen resultieren aus den traumatischen Erlebnissen und dem tiefen Vertrauensbruch, den der Missbrauch darstellt. Diese können von PTBS, Angststörungen und Depressionen bis hin zu Beziehungsproblemen und sexuellen Dysfunktionen reichen.
Eine Studie von Berthelot et al. (2014) zeigt die hohe Prävalenz von sexuellem Missbrauch unter Personen, die sich in sexueller Therapie befinden. Diese Personen leiden nicht nur unter psychischen Problemen, sondern auch unter erheblichen Beziehungsproblemen, was die Notwendigkeit einer umfassenden therapeutischen Unterstützung verdeutlich.
Auswirkungen von sexuellem Missbrauch auf das Sexualleben
Neben den psychischen Problemen beeinträchtigt sexueller Missbrauch in der Kindheit auch das Sexualleben der Betroffenen erheblich. Gewirtz-Meydan und Godbout (2023) fanden heraus, dass traumatische Gedanken und Erinnerungen während des Geschlechtsverkehrs und Schuld- sowie Schamgefühle in Bezug auf sexuelle Aspekte zu sexuellen Dysfunktionen führen können. Diese Dysfunktionen umfassen Probleme wie vermindertes sexuelles Verlangen, Schwierigkeiten beim Erleben von Lust und Orgasmus sowie Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs.
Exkurs: Juristische Definition und Tatbestände
In Deutschland ist der sexuelle Missbrauch von Kindern ein schweres Verbrechen und wird im Strafgesetzbuch (StGB) umfassend geregelt. Die entsprechenden Strafbestimmungen finden sich hauptsächlich in den §§ 176 bis 176c StGB. Hier sind die wesentlichen Aspekte des deutschen Strafrechts bezüglich des sexuellen Missbrauchs von Kindern:
176 StGB: Sexueller Missbrauch von Kindern
Tatbestandsmerkmale:
- Ein Kind ist im Sinne des § 176 StGB eine Person unter 14 Jahren.
- Der sexuelle Missbrauch umfasst alle sexuellen Handlungen, die an oder vor einem Kind vorgenommen werden oder die ein Kind an sich oder einem Dritten vornehmen muss.
Strafandrohung:
- Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
In minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
176a StGB: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
Tatbestandsmerkmale:
- Besonders schwere Fälle, wie das Eindringen in den Körper (Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr).
- Die Tat wird von mehreren gemeinschaftlich begangen.
- Die Tat verursacht beim Opfer erhebliche körperliche oder seelische Schäden.
Strafandrohung:
- Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.
- In minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
176b StGB: Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge
Tatbestandsmerkmale:
- Der Tod des Kindes tritt infolge des Missbrauchs ein.
Strafandrohung:
- Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe.
176c StB: Vorbereitende Handlungen
Tatbestandsmerkmale:
Vorbereitung von sexuellem Missbrauch, wie die Herstellung, Beschaffung oder Besitz von Gegenständen zur Ermöglichung von sexuellem Missbrauch.
Strafandrohung:
- Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Deutschland nimmt den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch sehr ernst und hat umfassende gesetzliche Regelungen eingeführt, um diese schweren Verbrechen zu ahnden und den Opfern zu helfen.
Behandlungskonzepte für Menschen mit Missbrauchserfahrungen
Die Therapie von Menschen, die sexuellen Missbrauch in der Kindheit erlebt haben, erfordert spezialisierte Ansätze. Die am häufigsten angewandten psychotherapeutischen Methoden umfassen die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die kognitive Verarbeitungstherapie (CPT), die interpersonale Psychotherapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Die hier aufgelisteten Verfahren sind zumeist auch von gesetzlichen Krankenkassen übernehmbar.
Das Berliner Institut für Beziehungsdynamik ist eine privates Therapieinstitut. Wir unterstützen Menschen bei der Überwindung der Auswirkungen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, wenn Sie weitere Fragen haben.
Welchen Verfahren werden zur Therapie von Missbrauchserfahrungen angewendet?
Hier einige der häufigsten Verfahren, die bei Therapie von sexuellem Missbrauch vermittelt und durch gesetzliche Krankenkassen übernommen werden. Diese therapeutischen Verfahren zeichnen sich zudem durch eine gute wissenschaftliche Fundierung und Evaluation aus. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass andere Verfahren weniger hilfreich sind – oftmals werden andere Verfahren einfach keiner entsprechend intensiven Wirksamkeitsuntersuchung unterzogen.
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)
Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) hat sich, gemäß verschiedener Studien, als eine Intervention bei der Behandlung von sexuellem Missbrauch in der Kindheit erwiesen. CBT zielt darauf ab, dysfunktionale Gedankenmuster zu identifizieren und zu verändern, die zu den psychischen Problemen der Betroffenen beitragen. Studien zeigen, dass CBT signifikante Verbesserungen in verschiedenen psychosozialen Funktionsbereichen bewirkt, einschließlich der Reduktion von Angst, Depression und PTBS-Symptomen.
Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
Die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) ist eine weitere wirksame Methode zur Behandlung von Missbrauchsopfern. DBT kombiniert kognitive Verhaltenstechniken mit achtsamkeitsbasierten Ansätzen und zielt darauf ab, emotionale Regulation, zwischenmenschliche Fähigkeiten und die Toleranz gegenüber Stress zu verbessern. Diese Therapieform hat sich besonders bei Betroffenen bewährt, die unter starken emotionalen Schwankungen und selbstverletzendem Verhalten leiden.
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
EMDR ist eine psychotherapeutische Methode, die speziell zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt wurde. Durch gezielte Augenbewegungen sollen die belastenden Erinnerungen an den Missbrauch verarbeitet und die damit verbundenen negativen Emotionen reduziert werden. Studien zeigen, dass EMDR effektiv bei der Reduktion von PTBS-Symptomen und anderen traumabedingten Störungen ist.
Interpersonale Psychotherapie (IPT)
Die interpersonale Psychotherapie (IPT) fokussiert sich auf zwischenmenschliche Beziehungen und deren Einfluss auf die psychische Gesundheit. Bei der Behandlung von Missbrauchsopfern hilft IPT, Beziehungsprobleme zu identifizieren und zu bearbeiten, die durch den Missbrauch entstanden sind. Diese Therapieform unterstützt die Betroffenen dabei, gesündere und stabilere Beziehungen aufzubauen und so ihre psychische Gesundheit zu verbessern.
Zusätzliche Therapieansätze
Neben den oben genannten Haupttherapieformen gibt es weitere Ansätze, die üblicherweise bei der Behandlung von sexuellem Missbrauch in der Kindheit angewandt werden. Dazu gehören die narrative Therapie, die analytische Therapie und die systemische Therapie. Diese Ansätze bieten alternative Perspektiven und Methoden zur Bearbeitung der Missbrauchserfahrungen und ihrer Folgen. Hierzu jeweils eine kurze Skizze.
Narrative Therapie
Die narrative Therapie zielt darauf ab, die Geschichten und Erzählungen der Betroffenen über ihre Missbrauchserfahrungen zu verändern. Durch das Erzählen und Umdeuten der eigenen Lebensgeschichte sollen neue Bedeutungen und Interpretationen gefunden werden, die den Betroffenen helfen, ihre Identität neu zu definieren und positive Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken.
Analytische Therapie
Die analytische Therapie, auch tiefenpsychologisch fundierte Therapie genannt, untersucht die unbewussten Prozesse und Konflikte, die aus den Missbrauchserfahrungen resultieren. Durch die Bearbeitung dieser unbewussten Inhalte sollen die Betroffenen ein tieferes Verständnis ihrer psychischen Probleme erlangen und langfristige Veränderungen erreichen.
Systemische Therapie
Die systemische Therapie betrachtet die Missbrauchserfahrungen im Kontext der gesamten Lebensumwelt der Betroffenen. Dabei werden familiäre, soziale und kulturelle Faktoren einbezogen, die die psychische Gesundheit und das Verhalten beeinflussen. Ziel ist es, die Dynamiken innerhalb der sozialen Systeme zu verändern und dadurch positive Entwicklungen zu fördern.
Gruppentherapie als ergänzende Intervention
Neben individuellen Therapieansätzen hat sich auch die Gruppentherapie als effektive Ergänzung bei der Behandlung von Missbrauchsopfern bewährt. In der Gruppentherapie haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Dies kann das Gefühl der Isolation reduzieren und das Verständnis und die Unterstützung innerhalb der Gruppe fördern. Studien zeigen, dass Gruppentherapien positive Effekte auf die Bewältigung von traumatischen Erfahrungen und die psychische Gesundheit der Betroffenen haben.
Unser Kommentar
Die Behandlung von sexuellem Missbrauch in der Kindheit stellt eine komplexe Herausforderung dar, die spezialisierte und vielseitige Therapieansätze erfordert. Allerdings ist es in den seltensten Fällen so, dass Klient*innen sich mit der Absicht melden, seine sexuelle Missbrauchserfahrung gezielt aufzuarbeiten und zu überwinden. Oft zeigt sich erst im therapeutischen Gespräch, besonders im Rahmen von Sexualtherapie oder Paartherapie, dass eine Person sexuelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit gemacht hat.
Die folgenden Quellen wurden zur Erstellung des Blogbeitrags verwendet:
- Berthelot, N., Godbout, N., Hébert, M., Sabourin, S., & Poitras-Wright, H. (2014). Prevalence and Characteristics of Sexual Abuse in Adults with Sexual Dysfunctions.
- Gewirtz-Meydan, A., & Godbout, N. (2023). Trauma-Related Thoughts and Sexual Dysfunction.
Hier ist die Liste der spezifischen Quellen und deren Details:
Diese Studie befasst sich mit der Prävalenz und den Eigenschaften sexuellen Missbrauchs bei Erwachsenen mit sexuellen Dysfunktionen. Sie hebt die psychischen und sexuellen Probleme hervor, die aus Kindheitsmissbrauch resultieren, und betont die Notwendigkeit spezifischer therapeutischer Interventionen.
Gewirtz-Meydan & Godbout (2023):
Diese Forschung untersucht, wie traumatische Gedanken während des Geschlechtsverkehrs und Gefühle von Schuld und Scham zu sexuellen Dysfunktionen bei Überlebenden von Kindesmissbrauch führen können. Sie unterstreicht die Bedeutung einer integrierten therapeutischen Behandlung, die sowohl psychische als auch sexuelle Aspekte berücksichtigt.
Berthelot et al. (2014) zeigt die hohe Prävalenz von sexuellem Missbrauch unter Personen, die sich in sexueller Therapie befinden” stammt direkt aus der genannten Studie von Berthelot et al.
Gewirtz-Meydan und Godbout (2023) fanden heraus, dass traumatische Gedanken während des Geschlechtsverkehrs und Schuld- sowie Schamgefühle in Bezug auf sexuelle Aspekte zu sexuellen Dysfunktionen führen können” basiert auf der Studie von Gewirtz-Meydan und Godbout.