In diesem Artikel wollen wir der Frage nachgehen, was eigentlich als toxische Beziehung bezeichnet wird. Die Beschreibungen toxische Beziehung oder toxische Männlichkeit werden zunehmend von unseren Klient*innen und auch in der öffentlichen Diskussion verwenden. Doch: Was kann giftig sein an einer Liebesbeziehung oder auch einer anderen Beziehung? Dieser Artikel will aus Perspektive der Paartherapie und Sexualtherapie einen Beitrag zur Einordnung leisten.
Beziehungstherapie am Berliner Institut für Beziehungsdynamik
Wir am Institut für Beziehungsdynamik in Berlin unterstützen seit 2006 in den Bereichen Paartherapie, Sexualtherapie und Beziehungstherapie. Wenn Sie das Gefühl haben, in einer toxischen Beziehung zu leben, darunter zu leider oder selbst daran beteiligt zu sein, empfehlen wir eine Beziehungstherapie bei uns. Sie können sich gerne an uns wenden und Kontakt aufnehmen.
Einleitung toxische Beziehung
In einer Welt, in der Beziehungen das Fundament unserer sozialen Existenz bilden, ist das Verständnis von gesunden und ungesunden Dynamiken entscheidend. Eine toxische Beziehung kann tiefgreifende emotionale, psychologische und manchmal sogar physische Auswirkungen auf die beteiligten Personen haben. Doch was genau macht eine Beziehung toxisch? Dieser Artikel beleuchtet die Merkmale, Ursachen und Auswirkungen toxischer Beziehungen und bietet Einblicke, wie man diese erkennt und sich daraus befreien kann.
Definition einer toxischen Beziehung
Eine toxische Beziehung ist eine Interaktion zwischen zwei Personen, bei der ein oder beide Partner schädliche Verhaltensmuster an den Tag legen, die das Wohlbefinden und die Gesundheit des anderen beeinträchtigen. Diese Beziehungen sind oft geprägt von Manipulation, emotionalem Missbrauch, Kontrolle und Ungleichgewicht der Machtverhältnisse.
Quelle: PsychCentral, “Toxic Relationships: Signs, Effects, and How to Cope” (2023) PsychCentral.
Was bedeutet toxisch?
Der Begriff “toxisch” stammt ursprünglich aus dem Bereich der Chemie und Medizin und bedeutet “giftig”. In einem weiteren Sinne wird das Wort verwendet, um etwas zu beschreiben, das schädlich oder zerstörerisch ist. In Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen bezeichnet “toxisch” Verhaltensmuster und Interaktionen, die emotional, psychologisch oder sogar physisch schädlich sind.
Kritik an der Verwendung des Begriffs “toxisch”
Am Berliner Institut für Beziehungsdynamik sehen wir den Begriff der “toxischen Beziehung” kritisch. Menschen sind keine Chemikalien und sollten nicht als giftig bezeichnet werden. Vielmehr können destruktive Kommunikationsmuster und Verhaltensweisen in Beziehungen entstehen, wenn keine Entwicklung, Wertschätzung und gegenseitige Unterstützung mehr vorhanden sind. Solche Muster führen oft zu Konflikten, Missverständnissen und einem Mangel an emotionaler Unterstützung. Diese destruktiven Kommunikationsmuster entstehen in der Regel im Zusammenspiel beider Partner*innen. Sie sind somit nicht das Ergebnis eines chemisch-naturgegebenen Prozesses, sondern aktive Konstruktionsleistungen innerhalb einer Beziehung. Erst wenn wir annehmen, dass beide Partner*innen aktiv beteiligt sind, können wir in Paartherapie auch Erkenntnisprozesse initiieren und fördern. Erst dann kann Veränderung geschehen.
Merkmale einer toxischen Beziehung
- Kontrollverhalten: Einer der Partner versucht ständig, den anderen zu dominieren oder zu kontrollieren. Dies kann sich in Form von Eifersucht, übermäßiger Überwachung oder der Einschränkung sozialer Kontakte äußern.
- Manipulation: Gaslighting ist eine häufige Form der Manipulation in toxischen Beziehungen, bei der der Täter versucht, den Partner an seiner Wahrnehmung der Realität zu zweifeln.
- Mangel an Unterstützung: Statt Unterstützung und Verständnis zu bieten, wird der Partner oft herabgesetzt oder kritisiert, was zu einem Verlust des Selbstwertgefühls führt.
- Konflikte und Dramen: Ständige Konflikte und Dramen sind typisch für toxische Beziehungen. Diese Probleme werden oft nicht gelöst, sondern wiederholen sich in einem endlosen Kreislauf.
- Ungesunde Abhängigkeit: Toxische Beziehungen sind oft von ungesunder emotionaler Abhängigkeit geprägt, bei der einer oder beide Partner das Gefühl haben, ohne den anderen nicht existieren zu können.
Ursachen toxischer Beziehungen
Für toxische Beziehungskonstellationen und -Muster werden verschiedene Ursachen angegeben. Wichtig ist hier, dass es in psychotherapeutischen Problemfeldern üblicherweise nicht die eine Ursache gibt – zumeist ist das Problem und damit auch das „toxisch“ wirksam multifaktoriell bedingt. Hier einige mögliche Einflussfaktoren:
- Vergangene Traumata: Personen, die in der Vergangenheit Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt haben, sind anfälliger für toxische Beziehungsmuster.
- Niedriges Selbstwertgefühl: Menschen mit geringem Selbstwertgefühl neigen dazu, sich in Beziehungen zu begeben, die ihre negativen Überzeugungen über sich selbst verstärken.
- Persönlichkeitsstörungen: Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus oder Borderline-Störung können zu toxischen Verhaltensweisen in Beziehungen führen.
- Ungesunde Beziehungsvorbilder: Wer in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem toxische Beziehungsmuster vorgelebt wurden, übernimmt diese oft unbewusst in die eigenen Beziehungen.
Wissenschaftliche Perspektive auf toxische Beziehungen
Studien haben gezeigt, dass toxische Beziehungen erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. So können sie das Risiko für Depressionen, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) erhöhen. Eine Untersuchung von Smith et al. (2018) zeigt, dass Menschen, die in toxischen Beziehungen leben, höhere Cortisolwerte aufweisen, was auf chronischen Stress hinweist (MDPI) (Frontiers).
Psychoanalytische Perspektive
In der Psychoanalyse wird angenommen, dass toxische Beziehungen oft als Aktualisierung bzw. Rekonstellation kindlicher Erfahrungen und emotionaler Zustände in Erwachsenenbeziehungen auftreten. Dieser Wiederholungszwang dient dazu, ungelöste kindliche Erfahrungen in einer Erwachsenenbeziehung nachzuspielen, um eine Lösung zu finden. Sigmund Freud bezeichnete dies als “Wiederholungszwang”, der dazu führt, dass wir versuchen, unbewältigte Kindheitstraumata im Hier und Jetzt zu lösen (MDPI) (Psychology Today).
Prävention und Bewältigung toxischer Beziehungen
Die Identifikation und Bewältigung toxischer Beziehungen ist entscheidend für das emotionale und psychische Wohlbefinden. Hier sind einige Ansätze, um toxische Beziehungen zu erkennen und zu beenden:
- Selbstreflexion und Selbstwertgefühl stärken: Sich seiner eigenen Wertigkeit bewusst zu werden und Selbstreflexion zu praktizieren, kann helfen, toxische Muster zu erkennen.
- Grenzen setzen: Klare Grenzen in Beziehungen zu setzen und diese konsequent durchzusetzen, ist ein wichtiger Schritt, um toxisches Verhalten zu unterbinden.
- Professionelle Hilfe suchen: Therapie und Beratung können wertvolle Unterstützung bieten, um sich aus toxischen Beziehungen zu lösen und gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln.
- Unterstützungsnetzwerk aufbauen: Freunde, Familie und Selbsthilfegruppen können emotionale Unterstützung und praktische Ratschläge bieten.
Die Sicht des Berliner Instituts für Beziehungsdynamik
Am Berliner Institut für Beziehungsdynamik sehen wir den Begriff der “toxischen Beziehung” kritisch, da er die Vorstellung nahelegt, dass ein Mensch giftig oder vergiftend wirkt. Das mag vielleicht der Eindruck der Person sein, die sich als Opfer erlebt. Wir glauben jedoch, dass beide Partner innerhalb von Traumatisierungen und kindlichen oder traumatischen Erfahrungen agieren. Dadurch sind sie oft blind für die Bedürfnisse des anderen, weil sie ihre eigenen Wunden tragen.
Wir unterstützen Menschen, die das Gefühl haben, in einer toxischen Beziehung zu leben, durch Paartherapie, Sexualtherapie oder Psychotherapie. Unser Ansatz zielt darauf ab, beide Partner dabei zu unterstützen, ihre eigenen Wunden zu erkennen und anzuerkennen, um eine gesunde und erfüllende Beziehung aufzubauen.
Destruktiv anstatt toxisch
Wir am Institut für Beziehungsdynamik halten destruktiv für eine bessere Beschreibung an toxisch. Destruktive Beziehungen sind Partnerschaften, die von schädlichen Verhaltensmustern und negativen Dynamiken geprägt sind. Diese können die emotionale und psychische Gesundheit der Beteiligten stark beeinträchtigen und die Beziehung langfristig untergraben, da beide Partner*innen sich nicht mehr entwickeln können, sondern gegenseitig „festhalten“.
Anzeichen für eine destruktive Beziehung
- Extreme Stimmungsschwankungen zwischen Nähe und Distanz
- Gefühle von Einengung und häufige Fluchtimpulse
- Verlust der eigenen Autonomie und Aufgabe persönlicher Interessen
- Ständiges Gefühl, dem Partner etwas schuldig zu sein
- Wiederholende, verletzende Konfliktmuster
- Körperliche oder psychische Gewalt
- Übermäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum
- Krankhafte Eifersucht oder pathologisches Lügen
Destruktive Muster in Beziehungen
Diese destruktiven Muster entwickeln sich oft schleichend und können für die Betroffenen schwer zu erkennen sein. Häufig liegen den destruktiven Verhaltensweisen unbewusste Schutzreaktionen zugrunde, die auf früheren Erfahrungen basieren. Um destruktive Beziehungsmuster zu überwinden, können folgende Schritte hilfreich sein:
- Selbstreflexion und ehrliche Beobachtung des eigenen Verhaltens
- Wiederentdeckung persönlicher Interessen und Bedürfnisse
- Eine Auszeit nehmen, um Abstand zu gewinnen und die eigenen Gefühle zu reflektieren
- Offene Kommunikation über Probleme und Bedürfnisse
- Professionelle Hilfe in Form von Paartherapie in Anspruch nehmen
Destruktives Verhalten ist oft ein Schutzmechanismus
Es ist wichtig zu verstehen, dass destruktives Verhalten oft nicht absichtlich geschieht, sondern aus unbewussten Mustern resultiert. Oft erscheint es in Paartherapie so, als würden zwei verletzte Kinder miteinander kommunizieren und ringen und keine erwachsenen Menschen, die einigermaßen mit Übersicht handeln. Mit Verständnis, Kommunikation und gegebenenfalls professioneller Unterstützung können Paare lernen, diese Muster zu durchbrechen und eine gesündere Beziehungsdynamik zu entwickeln. In manchen Fällen, besonders wenn Gewalt oder andere schwerwiegende Probleme vorliegen, kann eine Trennung der beste Weg sein, um sich selbst zu schützen und eine toxische Situation zu beenden.
Fazit
Toxische oder destruktive Beziehungen können schwerwiegende Auswirkungen auf das emotionale und psychische Wohlbefinden haben. Beide Partner*innen sind zumeist ausgelaugt und erschöpft. Das Erkennen der Merkmale und Ursachen solcher Beziehungen ist der erste Schritt zur Befreiung und Heilung. Durch Selbstreflexion, das Setzen von Grenzen und die Suche nach professioneller Hilfe können Betroffene den Kreislauf der toxischen Dynamik durchbrechen und gesunde, erfüllende Beziehungen aufbauen. Wichtig ist, dass man sich dafür nicht immer trennen muss – eine destruktive Dynamik wird von beiden Partner*innen getragen und kann daher auch aufgelöst werden.
Weiterführende Beiträge und Texte zum Thema toxische Beziehungen auf unserer Seite
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Ich bin Opfer eines Narzissten geworden