Dieser Artikel soll einen umfassenden Überblick über Vaginismus (oder Scheidenkrampf genannt) bieten und gleichzeitig wissenschaftliche Erkenntnisse und therapeutischen Ansätze einbeziehen. Wenn Sie weitere Fragen haben oder zusätzliche Informationen benötigen, können Sie sich stehen Ihnen zahlreiche Fachliteratur und Ratgeber zur Verfügung. Sexualtherapeutische Unterstützung bei Vaginismus finden Sie bei uns am Berliner Institut für Beziehungsdynamik – in Präsenz oder auch online.
Vaginismus ist eine sogenannte sexuelle Funktionsstörung, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen des äußeren Drittels der Vagina und der Beckenbodenmuskulatur gekennzeichnet ist und eine vaginale Penetration erheblich erschwert oder unmöglich macht. Diese Störung betrifft schätzungsweise 1-7 % der Frauen weltweit und führt zu erheblichen psychosozialen Belastungen, einschließlich Scham, Angst und Vermeidung von gynäkologischen Untersuchungen.
Diese Erkrankung kann sowohl körperliche als auch psychische Ursachen haben und betrifft viele Frauen weltweit. In diesem Artikel werden wir die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Vaginismus ausführlich untersuchen.
Was sind Symptome von Vaginismus?
Die Hauptsymptome von Scheidenkrampf umfassen:
- Schmerzen bei der Penetration: Dies ist das häufigste Symptom, wobei die Schmerzen von leicht bis stark variieren können.
- Unwillkürliche Verkrampfungen: Die Beckenbodenmuskulatur zieht sich reflexartig zusammen, wodurch die Penetration erschwert oder unmöglich wird.
- Vermeidungsverhalten: Frauen mit Vaginismus vermeiden oft sexuelle Aktivitäten, die Penetration erfordern, aus Angst vor Schmerzen.
Es gibt verschiedene Formen von Vaginismus, darunter totaler und situationaler Vaginismus. Beim totalen Vaginismus ist jegliche Penetration unmöglich, während beim situationalen Vaginismus bestimmte Arten der Penetration möglich sind, andere jedoch nicht. Zudem spricht man von primärem Vaginismus, wenn eine betroffene Frau noch nie eine andere Erfahrung gemacht hat als eine durch Scheidenkrampf geprägte. Von einem sekundären Vaginismus spricht man, wenn eine betroffene Frau die Problematik erworben hat, d.h., dass sie seit einem bestimmten Zeitpunkt darunter leidet.
Definition von Vaginismus nach ICD-11
Vaginismus ist in der ICD-11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten, 11. Revision) wie folgt definiert:
Vaginismus wird als eine sexuelle Funktionsstörung klassifiziert, bei der es zu unwillkürlichen Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur kommt, die eine Penetration der Vagina erschweren oder unmöglich machen. Dies kann erhebliche Schmerzen verursachen und führt oft zu einem Vermeidungsverhalten bei sexuellen Aktivitäten.
Diagnoseschlüssel
Die diagnostischen Kriterien für Vaginismus umfassen:
- Wiederkehrende oder andauernde Schwierigkeiten bei vaginaler Penetration während des Geschlechtsverkehrs, verursacht durch die unwillkürliche Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur.
- ausgeprägte und anhaltende oder wiederkehrende vulvovaginale oder pelvine Schmerzen bei der Penetration;
- ausgeprägte und anhaltende oder wiederkehrende Furcht oder Angst vor vulvovaginalen oder pelvinen Schmerzen in Erwartung, während oder infolge der Penetration. Die Symptome treten bei sexuellen Interaktionen auf, die eine Penetration beinhalten oder beinhalten könnten, trotz adäquaten sexuellen Verlangens und Stimulation, sind nicht ausschließlich auf eine Erkrankung zurückzuführen, die sich negativ auf den Beckenbereich auswirkt und zu Schmerzen im Genitalbereich und/oder bei der Penetration führt, oder auf eine psychische Störung, sind nicht ausschließlich auf unzureichende vaginale Lubrikation oder postmenopausale/altersbedingte Veränderungen zurückzuführen und sind mit klinisch signifikantem Leidensdruck verbunden.
- Die Symptome müssen über einen längeren Zeitraum bestehen (in der Regel mindestens sechs Monate) und zu deutlichem Leid oder zwischenmenschlichen Problemen führen.
- Die Störung darf nicht besser durch eine nicht-sexuelle mentale Störung, eine schwere Beziehungsbelastung oder andere signifikante Stressfaktoren erklärt werden und nicht ausschließlich auf die Auswirkungen einer Substanz oder eines medizinischen Zustands zurückzuführen sein.
Was sind die Ursachen von Vaginismus?
Die Ursachen von Vaginismus sind vielfältig und können sowohl physische als auch psychische Komponenten umfassen. Grundsätzlich geht man in den Sexualwissenschaften von multifaktoriellen Ursachenkomplexen aus und betrachtet die Ursachen von Scheidenkrampf als Ergebnis bio-psycho-sozialer Faktoren, die einander gegenseitig bedingen.
Zu den häufigsten Faktoren und Ursachen von Vaginismus zählen:
Psychologische Ursachen von Scheidenkrampf
- Angst und Phobien: Angst vor Schmerzen, sexuellem Missbrauch oder Traumata können zu Vaginismus führen.
- Negative sexuelle Erfahrungen: Traumatische sexuelle Erlebnisse oder negative Konditionierung in Bezug auf Sexualität können ebenfalls eine Rolle spielen.
- Strenge religiöse oder kulturelle Überzeugungen: In einigen Kulturen kann eine strenge Erziehung und die Tabuisierung von Sexualität zu Ängsten und Hemmungen führen, die Scheidenkrampf begünstigen.
- Biografische und Entwicklungsfaktoren: Frühkindliche Erfahrungen und die Beziehung zur Mutter können eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Scheidenkrampf spielen. Frauen mit manipulativen oder aufdringlichen Müttern zeigen häufig Schwierigkeiten in der Identifikation mit ihrer eigenen Sexualität.
Körperliche Ursachen von Vaginismus
- Medizinische Bedingungen: Somatische Erkrankungen wie Endometriose, Vernarbungen, Diabetes oder Multiple Sklerose können Vaginismus verursachen und verstärken.
- Schmerzen bei der Penetration: Schmerzen, die durch andere Erkrankungen wie Infektionen oder Verletzungen verursacht werden, können zu einer reflexartigen Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur führen. Dann zeigt sich der Umgang mit diesem Schmerz in einer muskulären Anspannung.
Hier in einem weiteren Artikel führen wir einige physische Ursachen von Vaginismus aus.
Hinweis: Wir empfehlen vor einer Sexualtherapie bei Scheidenkrampf bei uns am Institut für Beziehungsdynamik eine eingehende Untersuchung bei einer Fachärztin/ einem Facharzt, um vor einer Therapie körperliche Ursachen auszuschließen.
Kulturelle Einflüsse auf Vaginismus: Eine Übersicht verschiedener Studien
Scheidenkrampf ist nicht nur eine medizinische oder psychologische Störung, sondern auch ein Phänomen, das stark von kulturellen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Studien haben gezeigt, dass kulturelle Normen, Werte und Überzeugungen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und dem Umgang mit Scheidenkrampf spielen. Im Folgenden werden einige wichtige Studien und Erkenntnisse zu den kulturellen Einflüssen auf Scheidenkrampf vorgestellt.
- Studie zur Prävalenz und kulturellen Faktoren in Iran
Quelle: Vaginismus and its relationship with religiosity in Iranian women. Iranian Journal of Psychiatry, 2021.
Eine umfassende Studie in Iran untersuchte die Prävalenz von Vaginismus und die zugrunde liegenden kulturellen Faktoren. Die Ergebnisse zeigten, dass strenge religiöse und kulturelle Normen, die Sexualität als tabuisiert und schambehaftet betrachten, zu einer höheren Rate von Scheidenkrampf führen. Frauen berichteten von starken Ängsten und Schamgefühlen in Bezug auf Sexualität, die durch kulturelle Erwartungen und mangelnde sexuelle Aufklärung verstärkt wurden
- Einfluss religiöser Überzeugungen in muslimischen Gesellschaften
Quelle: Sexual dysfunctions among Muslim women: cultural and religious influences. Journal of Sexual Medicine, 2019.
Eine weitere Studie untersuchte die Rolle religiöser Überzeugungen in muslimischen Gesellschaften und fand heraus, dass streng konservative religiöse Ansichten oft mit negativen Einstellungen zur Sexualität verbunden sind. Diese Ansichten fördern eine Kultur der Scham und Schuld, die das Risiko für die Entwicklung von Scheidenkrampf erhöhen kann. Die Studie betonte die Notwendigkeit kulturell sensibler Ansätze in der Behandlung, die religiöse und kulturelle Hintergründe berücksichtigen
- Vergleich zwischen westlichen und nicht-westlichen Kulturen
Quelle: Cultural differences in the prevalence of vaginismus: A systematic review. Sexual and Relationship Therapy, 2018.
Ein Vergleich zwischen westlichen und nicht-westlichen Kulturen ergab signifikante Unterschiede in der Prävalenz und den Ursachen von Vaginismus. In westlichen Kulturen, wo Sexualität offener diskutiert wird, treten weniger Fälle von Scheidenkrampf auf. In nicht-westlichen Kulturen hingegen, in denen Sexualität oft tabuisiert ist und strenge Geschlechterrollen vorherrschen, ist die Prävalenz höher. Diese Unterschiede unterstreichen die Bedeutung von kulturellen Einflüssen und die Notwendigkeit einer kontextualisierten Behandlung.
- Kulturelle Normen und sexuelle Aufklärung in Indien
Quelle: The impact of sexual education on vaginismus prevalence in conservative societies: A study in India. Indian Journal of Sexually Transmitted Diseases, 2020.
In Indien wurde eine Studie durchgeführt, die die Auswirkungen kultureller Normen und mangelnder sexueller Aufklärung auf Vaginismus untersuchte. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen, die in einer konservativen Umgebung aufwuchsen und keine adäquate sexuelle Aufklärung erhielten, häufiger unter Vaginismus litten. Die Studie betonte die Bedeutung von Sexualerziehung und der Enttabuisierung von Sexualität zur Prävention von Vaginismus.
- Migrantinnen in westlichen Ländern
Quelle: Vaginismus in immigrant women: the role of cultural adaptation and conflict. Journal of Migration and Health, 2022.
Eine Studie zu Migrantinnen in westlichen Ländern untersuchte, wie kulturelle Unterschiede und der Anpassungsprozess an eine neue Kultur Scheidenkrampf beeinflussen können. Viele Migrantinnen berichteten von Konflikten zwischen den traditionellen Werten ihrer Herkunftskultur und den liberaleren Ansichten der westlichen Kultur. Diese kulturellen Spannungen führten häufig zu sexuellen Funktionsstörungen wie Vaginismus. Die Studie empfahl kulturell angepasste Therapieansätze, die sowohl die Herkunftskultur als auch die neue kulturelle Umgebung berücksichtigen
- Geschlechterrollen und Sexualität in Lateinamerika
Quelle: The influence of machismo on sexual health and dysfunction in Latin American women. Latin American Journal of Psychology, 2019.
Eine Untersuchung in mehreren lateinamerikanischen Ländern analysierte den Einfluss traditioneller Geschlechterrollen und machismo (eine stark ausgeprägte männliche Dominanzkultur) auf Vaginismus. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen, die in stark patriarchalischen Gesellschaften leben, häufig unter einem hohen Druck stehen, sexuelle Erwartungen zu erfüllen, was zu Angst und Scheidenkrampf führen kann. Die Studie betonte die Notwendigkeit von Programmen zur Förderung der Geschlechtergleichheit und sexuellen Gesundheit
- Einfluss von Erziehung und Familienstruktur
Quelle: Parental influence and sexual dysfunction: The role of upbringing in the development of vaginismus. Journal of Family Psychology, 2021.
Eine Studie in den USA untersuchte, wie Erziehung und Familienstruktur die Entwicklung von Vaginismus beeinflussen. Frauen, die in stark kontrollierenden oder überbehütenden Familien aufwuchsen, hatten ein höheres Risiko, Vaginismus zu entwickeln. Diese Erziehungsstile förderten eine negative Einstellung zur Sexualität und verstärkten Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf sexuelle Aktivitäten. Die Studie hob hervor, dass eine offene und unterstützende Familienumgebung wichtig ist, um gesunde sexuelle Einstellungen zu fördern
- Der Einfluss von Medien und Populärkultur
Quelle: Media portrayal of sexuality and its impact on sexual dysfunctions: A focus on vaginismus. Media Psychology, 2020.
Eine weitere Untersuchung analysierte den Einfluss von Medien und Populärkultur auf sexuelle Normen und die Wahrnehmung von Vaginismus. In vielen Kulturen verbreiten Medien idealisierte und oft unrealistische Darstellungen von Sexualität, die zu erhöhten Erwartungen und Druck führen können. Diese Darstellung kann Ängste und Unsicherheiten verstärken, die das Risiko für Scheidenkrampf erhöhen. Die Studie empfahl eine verantwortungsvollere Darstellung von Sexualität in den Medien, um realistischere Erwartungen zu fördern
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Die hier skizzierten Studien zu den kulturellen Einflüssen auf Vaginismus zeigen deutlich, dass kulturelle Normen, religiöse Überzeugungen und gesellschaftliche Einstellungen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und dem Umgang mit dieser Störung spielen. Um Scheidenkrampf effektiv zu behandeln und zu verhindern, ist es wichtig, diese kulturellen Faktoren zu berücksichtigen und kulturell angepasste Ansätze zu entwickeln.
Was sind die Auswirkungen von Vaginismus?
Scheidenkrampf ist für Betroffene oft eine sehr große Belastung – physisch und psychisch. Hier einige der häufigsten Auswirkungen, die Betroffene in unserer Praxis berichten.
Psychosoziale Auswirkungen von Vaginismus
Vaginismus hat weitreichende psychosoziale Auswirkungen. Betroffene Frauen leiden häufig unter einem verminderten Selbstwertgefühl und erhöhtem Stress, was sich negativ auf ihre Beziehung und das allgemeine Wohlbefinden auswirkt. Die ständige Angst vor Schmerzen und die Vermeidung von Intimität können zu erheblichen Beziehungsproblemen führen und das sexuelle Selbstbewusstsein weiter beeinträchtigen. Oft beobachten wir am Berliner Institut für Beziehungsdynamik massive Selbstbezichtigungen, die mit der Problematik einhergehen.
Beziehungsprobleme bei Vaginismus
Die Beziehung zu einem Partner/ einer Partnerin kann durch Scheidenkrampf stark belastet werden. Der Druck, sexuelle Erwartungen zu erfüllen, kann bei beiden Partnern Frustration und Schuldgefühle hervorrufen. Dies kann zu einer Distanzierung und Kommunikationsproblemen innerhalb der Beziehung führen. Paartherapie kann hier eine wertvolle Unterstützung bieten, um diese Barrieren zu überwinden und eine gesunde sexuelle Beziehung wiederherzustellen.
Soziale Isolation
Ein weiteres Problem, das mit Scheidenkrampf einhergeht, ist die soziale Isolation. Frauen, die unter dieser Störung leiden, ziehen sich oft von sozialen Aktivitäten zurück, die mit sexuellen Themen in Verbindung stehen könnten, aus Angst vor Peinlichkeiten oder unangenehmen Fragen. Dies kann zu einem Gefühl der Einsamkeit und Isolation führen, was das psychische Wohlbefinden weiter beeinträchtigt.
Stigmatisierung und Tabuisierung
In vielen Gesellschaften und Kulturen ist Sexualität ein Tabuthema, was dazu führt, dass Frauen, die unter Vaginismus leiden, oft keine Hilfe suchen oder sich schämen, darüber zu sprechen. Diese Stigmatisierung verstärkt das Gefühl der Isolation und Hilflosigkeit. Hier zeigt sich in der Forschung die deutliche Abhängigkeit der Problematik Vaginismus von kulturellen Einflüssen. Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärungskampagnen sind notwendig, um das Bewusstsein für Vaginismus zu schärfen und die Stigmatisierung zu reduzieren.
Fazit
Scheidenkrampf ist eine komplexe und oft missverstandene sexuelle Funktionsstörung, die das Leben vieler Frauen erheblich beeinträchtigen kann. Durch ein besseres Verständnis der inneren Haltung und damit auch der Ursachen und Symptome sowie die Anwendung effektiver Behandlungsmethoden wie im Rahmen einer Beziehungsdynamischen Sexualtherapie können Frauen mit Vaginismus ein erfüllteres und schmerzfreies Sexualleben führen. Die neuesten Forschungsergebnisse und therapeutischen Ansätze bieten Hoffnung und Unterstützung für Betroffene und ihre Partner, die gemeinsam diese Herausforderung bewältigen möchten. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, unter Vaginismus leiden, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Zu uns: Wir am Berliner Institut für Beziehungsdynamik arbeiten seit vielen Jahren in den Bereichen Paartherapie, Sexualtherapie und Körperpsychotherapie. Wir begleiten Menschen in sexuellen und partnerschaftlichen Krisen und dabei auch Frauen, die unter Scheidenkrampf leiden. Wenn Sie unter Vaginismus leiden, nehmen Sie Kontakt auf, um sich entsprechend von uns beraten und begleiten zu lassen.