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Die Psychologie der Beziehungserhaltung: Die vier apokalyptischen Reiter nach John Gottman

Einleitung

John Gottman, ein weltweit anerkannter Psychologe, hat bedeutende Beiträge zum Verständnis von Beziehungsdynamiken geleistet. Besonders seine Forschung zu den „vier apokalyptischen Reitern“ liefert wertvolle Erkenntnisse darüber, welche Verhaltensweisen eine Partnerschaft gefährden und welche Verhaltensweisen sich häufen, wenn sich eine Beziehung ihrem Ende nähert.

Diese Reiter – Kritik, Verachtung, Abwehr und Mauern – treten häufig in Konfliktsituationen auf und können langfristig zu einer Trennung führen, wenn sie nicht erkannt und behoben werden. In diesem Artikel werden die Reiter detailliert erklärt und Wege aufgezeigt, wie man sie vermeiden kann, um eine gesunde Beziehung zu erhalten.

John Gottman Paarforschung

Wir am Institut für Beziehungsdynamik

Das Berliner Institut für Beziehungsdynamik, gegründet 2006, bietet im Schwerpunkt Paartherapie, Sexualtherapie und Körperpsychotherapie an. John Gottman hat mit seineen Forschungen aufgezeigt und illustriert, was für uns in der Paartherapie alltägliche Erfahrung ist. Gerade konflikthafte Paare zeigen vielfach die von Gottman aufgezeigten “apokalyptischen Reiter”.  Nur bedingt kann es vielen Paaren gelingen, diese Kommunikationsstrukturen in Eigenregie zu überwinden. Daher ist es oftmals ein wichtiger Schritt, Unterstützung im Rahmen einer Paartherapie in Anspruch zu nehmen.

Sie suchen Unterstützung im Rahmen einer Einzeltherapie/ Psychotherapie oder Paartherapie? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

John Gottman: Ein Pionier der Beziehungsforschung

John Gottman hat seine Karriere darauf ausgerichtet, die Geheimnisse stabiler und glücklicher Beziehungen zu erforschen. Im Rahmen seiner bahnbrechenden Studien hat er Paare über einen langen Zeitraum beobachtet, insbesondere in seinem berühmten „Love Lab“ an der Universität Washington. Dabei hat er untersucht, wie Paare miteinander interagieren, kommunizieren und Konflikte bewältigen. Er konnte anhand bestimmter Verhaltensmuster mit hoher Genauigkeit vorhersagen, welche Paare langfristig zusammenbleiben und welche sich trennen werden. Die „vier apokalyptischen Reiter“ sind eines seiner zentralen Konzepte, das destruktive Verhaltensweisen beschreibt, die in Beziehungen auftreten können.

Wann hat John Gottman geforscht?

John Gottman apokalyptische Reiter

John Gottman begann seine bahnbrechenden Studien zur Beziehungsforschung bereits in den 1970er Jahren und intensivierte sie in den 1980er und 1990er Jahren. Insbesondere durch die Einrichtung des „Love Labs“ an der Universität Washington in den frühen 1980er Jahren konnte er fortlaufend Paare über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten und analysieren. Seine Forschung erstreckt sich bis in die Gegenwart, wobei er weiterhin bedeutende Beiträge zur Ehe- und Beziehungsforschung leistet.

Die vier apokalyptischen Reiter

Die vier apokalyptischen Reiter beschreiben negative Verhaltensweisen, die laut Gottman starke Indikatoren für das Scheitern einer Beziehung sind. Diese destruktiven Muster schwächen die emotionale Bindung zwischen den Partnern und verhindern eine konstruktive Kommunikation und Konfliktlösung.

Kritik – der erste apokalyptische Reiter

Kritik ist der erste der apokalyptischen Reiter und tritt auf, wenn ein Partner den anderen auf persönlicher Ebene angreift. Es handelt sich nicht nur um eine Beschwerde über eine bestimmte Handlung, sondern um eine Generalisierung oder einen Vorwurf gegenüber dem Charakter des Partners/ der Partnerin. Beispielsweise wird aus einer konstruktiven Beschwerde wie „Du hast vergessen, den Müll rauszubringen“ eine generalisierende und anklagende Kritik wie „Du bist immer so faul, du machst nie irgendetwas im Haus!“. Diese Art von Angriff kann den Partner verletzen und das Gefühl verstärken, ständig unter Beobachtung zu stehen, sowie, verurteilt zu werden.

Lösung auf kommunikativer Ebene:

Eine Möglichkeit, Kritik zu vermeiden, besteht darin, „Ich-Botschaften“ zu verwenden, um persönliche Bedürfnisse auszudrücken, ohne den anderen zu beschuldigen. Anstatt Vorwürfe zu machen, kann man sagen: „Ich fühle mich überfordert, wenn ich das Gefühl habe, dass ich den Haushalt alleine mache. Können wir die Aufgaben besser aufteilen?“

Verachtung – der zweite apokalyptische Reiter

Verachtung ist der zweite und destruktivste der apokalyptischen Reiter. Sie äußert sich in respektlosen Äußerungen, sarkastischen Bemerkungen, Augenrollen oder Spott, die den Partner herabsetzen und emotional verletzen. Verachtung ist häufig das Resultat langanhaltenden Grolls und signalisiert eine tiefe Missachtung des Partners. Ein Partner, der verächtlich behandelt wird, fühlt sich minderwertig und gedemütigt. Und dies führt in der Regel auch dahin, dass der gedehmütigte Partner sich rächen wird.

Studien wie die von Gottman und Levenson (1992) belegen, dass Verachtung der stärkste Prädiktor für eine Scheidung ist. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Paare, die Verachtung zeigen, eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine spätere Trennung aufweisen. Weitere Untersuchungen zeigen, dass Verachtung langfristig das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Paare, die häufig Verachtung erleben, zeigen vermehrt gesundheitliche Probleme wie ein geschwächtes Immunsystem (Gottman & Levenson, 1992).

Lösung auf kommunikativer Ebene:

Verachtung kann durch den bewussten Aufbau einer Kultur des Respekts und der Wertschätzung in der Beziehung überwunden werden. Positive Kommunikation, regelmäßiges Lob und das Ausdrücken von Dankbarkeit helfen, Verachtung zu vermeiden und eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts zu schaffen.

Kommunikation aus Beziehungsdynamischer Perspektive

Für uns am Institut für Beziehungsdynamisch sind die Lösungsvorschläge sicherlich kritisch zu sehen. In unserer Arbeit und im Beziehungsdynamischen Ansatz steht Haltung im Vorderung. Für uns entscheidet die Haltung, die wir zu einer anderen Person haben bzw. einnehmen darüber, wie wir kommunizieren und welche Verhaltensweisen wir wählen. Wenn ein Mensch Zweifel in Bezug auf die Absichten seines Partners hegt, dann wird er sicherlich auch keine offene und wertschätzende Kommunikation wählen.

Daher sind für uns John Gottmans Erkenntnisse sicherlich sehr treffend, den Weg zur Überwindung partnerschaftlicher Probleme sehen wir allerdings vorrangig darin, die eigene Haltung einer Prüfung zu unterziehen.

Kommunikation apokalytische reiter

Abwehr – der dritte apokalyptische Reiter

Abwehrverhalten tritt auf, wenn ein Partner versucht, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, anstatt Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen. Diese Abwehrhaltung kann sich durch Rechtfertigungen oder das Zurückweisen von Kritik äußern. Beispielsweise könnte ein Partner sagen: „Du hast den Müll nicht rausgebracht“, worauf der andere antwortet: „Das ist nicht meine Schuld, du hast mich nicht daran erinnert.“

Abwehrverhalten verhindert, dass Konflikte auf konstruktive Weise gelöst werden, da es das Gespräch in eine Sackgasse führt und beide Partner sich unverstanden fühlen. Abwehrverhalten wir eben auch als Abwehr der Person und seiner Bedürfnisse verstanden und ist daher destruktiv. Häufig geht Abwehr mit dem Gefühl einher, ungerecht behandelt zu werden, was die Kommunikation weiter erschwert.

Studien wie die von Carrère und Gottman (1999) zeigen, dass Abwehr in den ersten Jahren einer Ehe eine hohe Korrelation mit dem späteren Scheitern der Beziehung aufweist (Carrère & Gottman, 1999).

Lösung auf kommunikativer Ebene: 

Um Abwehrreaktionen zu vermeiden, ist es wichtig, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen, auch wenn es schwerfällt. Oftmals geht es hier auch um die Emotionen, die dahinterliegen und die es zu kommunizieren gilt. Anstatt sich sofort zu verteidigen, kann man eingestehen, dass man einen Fehler gemacht hat und bereit ist, daran zu arbeiten. Dies schafft Raum für konstruktive Lösungen und verbessert das gegenseitige Verständnis.

Mauern – der vierte apokalyptische Reiter

Der letzte der vier apokalyptischen Reiter ist das Mauern, auch als „Stonewalling“ bekannt. Mauern tritt auf, wenn ein Partner sich emotional von der Interaktion zurückzieht und die Kommunikation vollständig blockiert. Dies kann geschehen, wenn einer der Partner überfordert oder emotional erschöpft ist. Oft schweigt der „Mauernde“ oder verlässt den Raum, was den anderen Partner frustriert und hilflos zurücklässt.

Mauern ist besonders schädlich, da es die Möglichkeit eines offenen Dialogs verhindert. Konflikte bleiben ungelöst, und die emotionale Distanz zwischen den Partnern wächst. Studien haben gezeigt, dass Mauern in einer Beziehung auf Dauer zu einer tiefen Entfremdung führen kann (Gottman & Levenson, 1992).

Lösung auf kommunikativer Ebene:

Wenn das Gefühl der Überforderung aufkommt, ist es hilfreich, Pausen einzulegen, um sich zu beruhigen, bevor das Gespräch fortgesetzt wird. Es ist wichtig, dem Partner zu signalisieren, dass man bereit ist, das Gespräch später weiterzuführen, und nicht dauerhaft aus der Situation zu flüchten.

Das 5:1-Verhältnis: Die Balance zwischen positiven und negativen Interaktionen

Neben der Identifizierung der vier apokalyptischen Reiter hat John Gottman auch ein Konzept entwickelt, das das Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen in einer Beziehung beschreibt. Laut Gottman sollte auf jede negative Interaktion mindestens fünf positive Interaktionen folgen. Diese positiven Momente können Lob, Zuneigung, liebevolle Gesten oder gemeinsame Aktivitäten sein. Sie helfen dabei, die negativen Auswirkungen von Konflikten auszugleichen und die Beziehung zu stabilisieren.

Gottman betont, dass Paare, die dieses 5:1-Verhältnis aufrechterhalten, eine größere Chance haben, langfristig glücklich zusammenzubleiben. Positive Interaktionen stärken das Fundament der Beziehung und ermöglichen es den Partnern, auch schwierige Zeiten gemeinsam zu überstehen (Gottman, 1999).

Der Einfluss von Gottmans Forschung auf Therapie und Beratung

John Gottmans Forschung hat nicht nur die akademische Welt beeinflusst, sondern auch die Praxis der Paartherapie. Seine Erkenntnisse bieten Paartherapeut*innen und Berater*innen wertvolle Werkzeuge, um Paaren dabei zu helfen, ihre Beziehung zu verbessern. Viele therapeutische Ansätze basieren auf den von Gottman entwickelten Methoden, die darauf abzielen, emotionale Intelligenz zu fördern und effektive Kommunikations- und Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln.

Das Gottman-Institut, das Gottman zusammen mit seiner Frau Julie Schwartz Gottman gegründet hat, bietet eine Vielzahl von Programmen und Ressourcen für Paare an, die ihre Beziehung stärken wollen. Diese Programme basieren auf den jahrzehntelangen Forschungsergebnissen von Gottman und bieten praktische Tipps und Techniken, um die Herausforderungen des Beziehungsalltags zu meistern.

Fazit

Die vier apokalyptischen Reiter stellen eine ernsthafte Bedrohung für jede Beziehung dar, können aber, laut Gottman, durch gezielte Maßnahmen und bewusste Kommunikation überwunden werden. Gottmans Forschung will aufzeigen, dass es möglich ist, destruktive Verhaltensweisen zu erkennen und zu ändern, um eine gesunde und stabile Beziehung aufzubauen. Indem Paare auf gegenseitigen Respekt, Wertschätzung und offene Kommunikation achten, können sie die Herausforderungen des Beziehungsalltags erfolgreich meistern und eine langfristige, glückliche Partnerschaft führen.

Für uns am Institut für Beziehungsdynamik ist dies nur bedingt zutreffend. Wir begleiten täglich Paare, die zwar in der Lage sind, wertschätzend und professionell zu kommunizieren, die es allerdings insgeheim gar nicht wollen, da partnerschaftliche Konflikte bedeutsam sind. In unserer Beziehungsdynamischen Paartherapie geht es darum, diese Konflikte zu explorieren, zu würdigen und dann zu transformieren. Dies geht, aus unserer Erfahrung, nicht ausschließlich durch die Veränderung des Kommunikationsverhaltens.

Verweise auf wissenschaftliche Studien

  • Gottman, J.M., & Levenson, R.W. (1992). “Marital processes predictive of later dissolution: Behavior, physiology, and health.” DOI-Link
    Diese Studie zeigte, dass Verachtung das stärkste Anzeichen für spätere Trennungen ist.
  • Carrère, S., & Gottman, J. M. (1999). “Predicting divorce among newlyweds from the first three minutes of a marital conflict discussion.” DOI-Link
    Diese Forschung betont die frühe Bedeutung von Verhaltensmustern, wie Abwehr, in den ersten Ehejahren.
  • Gottman, J.M. (1999). “The seven principles for making marriage work.”
    Hier beschreibt Gottman das 5:1-Verhältnis als Schlüssel für erfolgreiche und stabile Beziehungen. Link