„Bindung ist die unsichtbare Architektur, in der sich unsere Beziehungsmuster entfalten.“ –
John Bowlby
Die Bindungstheorie, erstmals formuliert von John Bowlby (1969) und später empirisch erweitert von Mary Ainsworth, bildet die Grundlage für unser Verständnis davon, wie wir emotionale Nähe erleben und Beziehungen gestalten. Besonders zwei unsichere Bindungsstile – ängstlich und vermeidend – führen häufig zu innerem Stress, Missverständnissen in Partnerschaften und einer sich wiederholenden Beziehungsdynamik. Doch mit Bewusstsein, Reflexion und gegebenenfalls therapeutischer Unterstützung ist Veränderung möglich.

Wir am Institut für Beziehungsdynamik
Das Berliner Institut für Beziehungsdynamik, gegründet 2006, bietet im Schwerpunkt Paartherapie, Sexualtherapie und Körperpsychotherapie an.
In unseren Sitzungen geht es darum, mit Menschen, die den Kontakt zu ihrer Sexualität verloren haben oder auch an den Herausforderungen ihrer Beziehung scheitern, zu unterstützen, sich selbst besser kennen- und verstehenzulernen. Dabei fallen immer wieder zwei Bindungsstile, besonders in Paartherapie, auf – deren Grundlagen wir hier erläutern wollen.
Sie suchen Unterstützung im Rahmen einer Einzeltherapie/ Psychotherapie oder Paartherapie? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Was sind Bindungsstile?
Bindungsstile entstehen in der frühen Kindheit – durch die emotionale Qualität der Beziehung zu unseren primären Bezugspersonen. In ihrem bekannten „Fremde-Situations-Test“ identifizierte Mary Ainsworth vier Haupttypen:
- Sicherer Bindungsstil
- Ängstlich-ambivalenter Bindungsstil
- Vermeidender Bindungsstil
- Desorganisierter Bindungsstil
In diesem Artikel liegt der Fokus auf den beiden häufigsten unsicheren Bindungsstilen, die besonders oft in der Paartherapie thematisiert werden: ängstlich und vermeidend. Diese spielen in der Beziehungsgestaltung eine zentrale Rolle – nicht nur wegen ihrer Gegensätzlichkeit, sondern auch, weil sie häufig in Beziehungsmustern aufeinandertreffen.
Die Rolle der Bindungstheorie in der Paartherapie

Die moderne Paartherapie – insbesondere bindungsorientierte Ansätze wie EFT (Emotionally Focused Therapy) – greifen gezielt auf die Erkenntnisse der Bindungstheorie zurück. Ziel ist es:
- die jeweiligen Bindungsmuster bewusst zu machen,
- die emotionalen Bedürfnisse beider Partner zu erkennen und auszusprechen,
- sowie eine sichere Bindung aufzubauen – trotz Unterschiedlichkeit.
Studien zeigen: Je bewusster beide Partner ihre Bindungsstile verstehen, desto größer ist die Chance auf eine stabile, erfüllte Beziehung.
Ängstlicher Bindungsstil – Wenn Nähe nie genug ist
Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil erleben Beziehungen als emotionales Auf und Ab. Sie suchen Nähe, aber fürchten gleichzeitig, dass diese Nähe jederzeit wieder verloren gehen könnte.
Typische Merkmale:
- Starkes Bedürfnis nach Nähe und Bestätigung
- Geringes Selbstwertgefühl
- Angst, verlassen oder „nicht genug“ zu sein
- Hohes Maß an emotionaler Abhängigkeit
- Klammern, Eifersucht, Verlustangst
Herkunft:
Meist haben diese Menschen Bezugspersonen erlebt, die mal zugewandt und liebevoll, mal distanziert oder unberechenbar waren. Das führt zu einem tiefen inneren Zweifel: „Bin ich überhaupt liebenswert – oder muss ich mich erst beweisen, um Zuwendung zu verdienen?“
In Beziehungen:
Der ängstliche Partner sucht Rückversicherung, intensive Nähe und leidet stark unter dem Gefühl von Distanz. Oft erlebt er die Beziehung als schwankend, unsicher, unerfüllt – selbst dann, wenn objektiv Nähe vorhanden ist.
Vermeidender Bindungsstil – Wenn Nähe als Bedrohung empfunden wird
Menschen mit einem vermeidenden Bindungsstil erscheinen häufig unabhängig, kontrolliert und gefasst. Doch hinter dieser Fassade steckt meist eine tiefe Angst vor Verletzbarkeit.
Typische Merkmale:
- Emotionale Distanz
- Unbehagen bei zu viel Nähe
- Betonung von Autonomie und Selbstgenügsamkeit
- Schwierigkeit, eigene Gefühle zu zeigen oder anzunehmen
- Rückzug bei Konflikten oder emotionalem Druck
Herkunft:
In ihrer Kindheit waren Bezugspersonen emotional nicht verfügbar oder ablehnend. Das Kind lernt: „Wenn ich meine Gefühle zeige, stoße ich auf Zurückweisung.“ Als Schutzstrategie entsteht emotionale Selbstständigkeit – scheinbar ohne Bedürfnis nach Nähe.
In Beziehungen:
Vermeidend gebundene Menschen reagieren auf emotionale Erwartungen des Partners oft mit Rückzug. Konflikte, emotionale Gespräche oder intensive Nähe wirken belastend oder sogar bedrohlich.
Wie beeinflussen Bindungsstile unsere Gesundheit und unsere Kinder?
Bindung ist nicht nur ein psychologisches, sondern auch ein physiologisches Thema. Unsichere Bindungsstile gehen häufig mit einem erhöhten Stressniveau einher – messbar über Cortisolwerte und andere Stressindikatoren.
Auch auf die nächste Generation haben Bindungsstile Einfluss:
- Kinder spüren die emotionale Unverfügbarkeit oder Überforderung ihrer Eltern intuitiv.
- Wiederholen sich Bindungsmuster, können sie unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Wer an seinem Bindungsstil arbeitet, verändert also nicht nur sein eigenes Liebesleben – sondern auch das emotionale Klima seiner Familie.
Wenn sich ängstliche und vermeidende Bindungsstile begegnen – Eine häufige Beziehungskonstellation
Tatsächlich ziehen sich ängstlich und vermeidend gebundene Menschen oft gegenseitig an – zumindest zu Beginn. Denn jeder bietet dem anderen unbewusst die Bestätigung seiner Glaubenssätze:
- Der ängstlich Gebundene erlebt, dass Liebe schwer zu erreichen ist.
- Der vermeidende Partner sieht sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass Nähe Druck ausübt und Bindung einengt.
Diese Dynamik nennt sich in der Paartherapie häufig „Pursuer–Distancer“-Muster (Annäherung vs. Rückzug). Sie sieht oft so aus:
- Der ängstliche Partner sucht Nähe, stellt Fragen, drängt auf Kontakt.
- Der vermeidende Partner fühlt sich überfordert und zieht sich zurück.
- Der ängstliche Teil reagiert mit noch mehr Klammern oder Vorwürfen.
- Der Rückzug verstärkt sich – der Kreislauf beginnt von vorn.
Das Problem: Beide fühlen sich unverstanden. Ohne Unterstützung eskaliert die Dynamik über Monate oder Jahre.
Wege zur Veränderung – Was du tun kannst
Bindungsstile sind veränderbar. Sie sind keine fixe Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein erlerntes Reaktionsmuster – und genau deshalb auch umprogrammierbar.
Mögliche Schritte:
- Selbstreflexion & Wissen
Beschäftige dich mit deinem Bindungsstil. - Emotionstagebuch führen
Welche Situationen aktivieren dich emotional stark? Was sind deine typischen Reaktionen? - Achtsamkeit & Regulation üben
Bleibe mit deinen Gefühlen in Kontakt, ohne sofort zu handeln. - Konstruktive Kommunikation lernen
Formuliere deine Bedürfnisse ehrlich, ohne Schuldzuweisungen. - Therapie oder Paarberatung nutzen
Vor allem in wiederkehrenden Beziehungsmustern kann professionelle Paartherapie entscheidend sein.
Fazit: Bindungsstile verstehen heißt, Beziehungen neu gestalten
Egal, ob du dich in der Beschreibung des ängstlichen oder vermeidenden Bindungsstils wiedererkennst – du bist nicht allein. Diese Muster sind weit verbreitet und oft das Ergebnis früher Bindungserfahrungen, die wir als Kinder nicht beeinflussen konnten.
Doch heute – als Erwachsene – haben wir die Möglichkeit, bewusster zu wählen:
Wie will ich lieben? Was brauche ich, um mich sicher zu fühlen?
Und: Wie kann ich gleichzeitig Nähe zulassen und Grenzen wahren?
Die Auseinandersetzung mit der Bindungstheorie, dem eigenen Bindungsstil und der bewussten Gestaltung von Partnerschaft ist ein zentraler Schritt in Richtung gesunder, tragfähiger Beziehungen.
Wenn du möchtest, unterstütze ich dich gerne dabei.

