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Persönlicher Erfahrungsbericht einer Frau mit Vaginismus

Den folgenden persönlichen Erfahrungsbericht zum Thema Vaginismus schrieb eine Klientin während Ihrer Sexualtherapie:

 

Dass ich Vaginismus hatte wusste ich natürlich nicht. Kein Arzt oder Ärztin hat es so benannt. Was auch zeigt, dass die Kenntnisse selbst in der Branche der Frauenärztinnen darüber ganz schön schlecht sind. Ich hatte wohl einfach ein starkes Jungfernhäutchen und da sollte wohl einfach der „richtige Kommen…dann würde das wohl alles klappen“…so die Ärzte. Zwischen dem 1. und 15. oder 16. Lebensjahr hatte ich jährlich mehrmals Blasenentzündungen manchmal mit Nierenbeckenentzündungen. Ein Arzt meinte das könne von einer Schockniere kommen, die ich bekam, weil ich mit 1 Jahr eine Verbrennung 3. Grades hatte. Die Folge davon war, dass ich häufig auf der Toilette die Blase anhielt, weil pinkeln eben oft mit Schmerzen verbunden war. Ich habe überhaupt häufig den Urin angehalten, wollte nicht auf die Toilette, manchmal auch, weil ich das Spielen nicht unterbrechen wollte. Das Kontrollieren oder Anhalten des Urins war ein gewohnheitsmäßiges Training. Und damit auch das Einziehen und Stärken der Vaginalmuskulatur….nur wusste ich das damals natürlich noch nicht. An sich wäre dagegen auch nichts einzuwenden. Aber mir fehlte einfach die Gegenbewegung, die Entspannung. Mit ungefähr 8 Jahren hatte ich den Miniorgasmus an dem Turnseil in der Sporthalle entdeckt, indem ich die Beine um das Seil gepresst habe und mir damit gute Gefühle gemacht habe. Auf diese Art habe ich dann später in der Pubertät und auch Jahre später masturbiert. Mit 14 oder 15 habe ich die Multiorgasmen entdeckt, die Beine übereinandergeschlagen und die Hand dazwischen gepresst, dadurch konnte ich dann mehrere Orgasmen hintereinander haben. Ich hatte angefangen daraus ein Sport zu machen, fing an sie zu zählen, manchmal waren es 10 oder mehr. Eigentlich habe ich eh nur masturbiert um diese enormen Spannungen abzubauen, die ich täglich nach der Schule nachhause brachte. Nur die Entspannung blieb irgendwie aus. Es blieb immer dieses unbefriedigende Gefühl davon mehr haben wollen. Mir selbst Lust zu machen, mich zu erforschen oder zu genießen, war mir fremd. Später wurde mir klar, dass diese Art zu masturbieren mächtige Muskeln in der Vagina und im Unterbauch schafft, die einmal antrainiert schwer zu dem Gegeneffekt führen, nämlich zu entspannten Vaginalmuskeln. Vielleicht waren die häufigen Blasenentzündungen und die Art und Weise wie ich masturbiert habe, der Auftakt für meinen Vaginismus. Zudem kam eine übergroße Moral. Sie spielte bei uns zu Hause eine große Rolle. Vor dem Spiegel steht man nicht stundenlang rum. Ich kann mich erinnern, dass ich mich in der Pubertät dafür geschämt habe, dass ich vor dem Spiegel stand, der Spruch meiner Mutter: „ach….hoho….bist du wieder schön?!….hohoho“, dafür habe ich mich so geschämt, dass ich immer nur verstohlen und unter äußersten Schamgefühlen vor dem Spiegel stand. Mit 15 hatte ich einen ersten Freund. Ich war nicht verliebt, ich wollte einfach nur mal unbedingt in einer Clique sein. An ihm selbst hatte ich nicht viel Interesse. Er wollte auch mit mir schlafen. Ich aber nicht. Stattdessen versuchte ich in der gleichen Zeit mit einem 18 jährigen Jungen zu schlafen, einfach mal so an einem Nachmittag um mit jemandem zu schlafen. Das ging überhaupt nicht. Der nächste Versuch war mit 17 mit meinem ersten richtigen Freund, mit dem ich eine sehr intensive Beziehung hatte. Ich wollte mit ihm schlafen, aber es hat nie richtig geklappt. Er kam einfach nicht tief genug in mich hinein. Über die Eichel hinaus ging es nicht. Es war wie ein fester Muskelring der sich genau auf 2 oder 2 ein halb cm öffnete und kein bisschen weiter, das reichte aber nicht um einen Penis in mich aufzunehmen. Ich bin mehrfach zu Frauenärzten und Frauenärztinnen gegangen, aber alle waren der Meinung ich hätte einfach nur ein sehr starkes Jungfernhäutchen. Keiner bot mir eine Lösung für mein Problem an. Einer meinte sogar: „Ach…da musst Du einfach mal ein Gläschen Wein trinken, dann muss der richtige kommen und muss dann richtig ran gehen…und dann geht das schon…hohoho“. Von Vaginismus hatte ich damals keine Ahnung, die Ärzte scheinbar auch nicht und davon, dass man diesen Muskelring auch hätte mit der Hand weiten können ebenso wenig. Sexualität war überhaupt ein Tabu, jedenfalls für mich. Über Sexualität zu reden war so gut wie unmöglich, über starke Gefühle zu sprechen war aber genauso tabu. Das war alles so extrem peinlich. Jegliche starken Gefühle, die mit Lebenslust, Freude, Sinnlichkeit oder Erotik zu tun hatten waren ja so peinlich. Dafür konnte ich wunderbar meine Depressionen zum Ausdruck bringen. Als ich 17 war und meinen ersten längeren Freund hatte, der mich mit zu sich nehmen wollte, wollte mir das meine Mutter verbieten. Mein Elternhaus hat sich extrem sexfeindlich und lustlos angefühlt. Sexualität war abgründig, dunkel und mit Ängsten vor der eigenen Sinnlichkeit und dem eigenen Lusterleben verbunden, weil alles was sich lebendig angefühlt hat, einfach mal weggedrückt wurde. Es gab zu keiner Zeit wirkliche Entspannung. Genauso unentspannt wie ich mich gefühlt habe, genauso unentspannt war meine Vaginalmuskulatur. Ich wusste noch nicht einmal ob ich Sex wollte oder nicht. So in etwa verbrachte ich die ersten 4 Jahre meines Sexuallebens mit Petting und etlichen Versuchen mit Männern zu schlafen ohne wirklich an mir zu arbeiten oder zu verstehen, was eigentlich los ist. Ich hätte natürlich einfach selber an mir herumexperimentieren können, wie mir eine Freundin damals riet. Sie meinte, sie könne das einfach nicht verstehen, wieso ich nicht selber Hand anlegen würde, „…mit einer Möhre oder sonst was…“. Ich habe die Dinge einfach so laufen lassen. In gewisser Hinsicht hatte ich auch einen ungeheuren Vorteil davon: Alle Beziehungen waren zumindest auf dem sexuellen Gebiet mit mir beschäftigt. Ich habe mich dadurch interessant gefühlt, und es gab ein zwiespältiges Gefühl, auf der einen Seite war ich stolz immer noch Jungfrau zu sein, auf der anderen Seite war es mir abgrundtief peinlich, weil alle meine Freundinnen schon mit Männern geschlafen hatten und so Erfahren wirkten. Dabei habe ich in manchen Phasen mehrere Pettingbeziehungen nebeneinander gehabt, die alle sehr schnelllebig waren. Mit einer längeren Beziehung und dessen befreundeten Kollegen lebte ich dann für 1 Jahr in einer Wohngemeinschaft zusammen. Im Laufe dieses Jahres habe ich immer weniger Sex mit ihm zulassen können. Dafür aber mit seinem Freund und Kollegen. Bemerkenswert dazu war, dass er wirklich sehr bemüht war und wirklich an mir vom Herzen interessiert war. Er war enorm großzügig, einfühlsam und hat immer wieder versucht mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen auf mein Nichteinlassen einzugehen. Irgendwann hat auch er dann aufgegeben. Heute glaube ich, dass ich einfach nicht erwachsen werden wollte, ich wollte niemanden wirklich an mich heranlassen, ich habe das oberflächliche Herumgefummel geliebt, heiße lange Vorspiele, die bei einem Vorspiel aber blieben. Aber auch nur so lange, wie keine echte Nähe und Beziehung entstand. Denn wenn Nähe da war, verschwand sofort mein Wunsch sexuell werden zu wollen. Mit Anfang 20 war ich dann in einem längeren Reiseurlaub. Ausgerechnet in Ostasien habe ich dann einen Arzt in einer Klinik gefunden, der mir erklärte, dass mein Problem des „starken Jungfernhäutchens“ nicht selten vorkäme, man müsse an der Stelle der Scheide zum Damm hin das Jungfernhäutchen aufschneiden und dann vorsichtig wieder zusammen nähen. Ich habe mich sofort vertrauensvoll in seine Hände begeben, obwohl die sterilen Bedingungen in dem Krankenhaus katastrophal waren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich einen 17 Jahre älteren Mann aus Europa kennengelernt. Ich hatte mir gewünscht mit ihm zu schlafen. Nach der Operation brauchte ich noch etwa 3 Wochen, bis die Narbe verheilt war. Ich hatte Angst, dass es vielleicht nicht wirklich klappen würde. Ich besorgte ihm und mir XTC oder damals noch einfach Ecstasy, damals eine Modedroge, die überall schnell erhältlich war. Damit wollte ich garantieren, dass ich vor allen Dingen entspannt sein würde. Es klappte, ich war sehr glücklich. Ich war damals schon 22 als ich nun endlich das erste Mal mit einem Mann schlief. Danach war das Problem, des zu eng seins aber nicht aufgehoben. Seit dem hatte ich immer wieder Phasen, in denen ich „zu eng“ war oder auch nicht. Bei dem Kriterium spielte vor allen Dingen die Nähe eine entscheidende Rolle. Je näher wir uns waren und je mehr ich Widerstände gegen die Nähe hatte oder mich möglicherweise sogar davon bedroht fühlte, desto wahrscheinlicher war auch ein Vaginismus. Das heißt mal hatte ich Vaginismus, mal nicht. Durch geduldiges dehnen und immer wieder entspannen konnte ich diese Verkrampfung dann letztlich wieder lösen. Heute kommt ein Vaginismus so gut wie gar nicht mehr vor. Meine Lösung für mein Problem, wie auch immer man das nennen mag, liegt vor allen Dingen darin, genau nachzuspüren, was gerade los ist, Ängste wahr- und ernst zu nehmen, Nähe und in der Nähe auch sexuelle Gefühle zu zu lassen und mich nicht zu übergehen. Zu garantieren, dass ich entspannt bin und Sex auch langsam angehen lassen kann.