Vorzeitiger Samenerguss, auch als Ejaculatio praecox bezeichnet, ist eine sexuelle Störung, die viele Männer betrifft und oft für erheblichen Leidensdruck sorgt. Aber ab wann spricht man eigentlich von vorzeitigem Samenerguss? Dieses Thema wirft eine grundlegende Frage auf: Ab wann wird eine sexuelle Dysfunktion als solche definiert, und wer entscheidet darüber, ob jemand “gestört” oder “normal” ist? Im Gegensatz zu physischen Erkrankungen, deren Symptome klar nachweisbar und messbar sind, ist dies bei sexuellen Störungen nicht so einfach. Die Störung hängt maßgeblich davon ab, ob sich jemand „gestört“ fühlt oder nicht. Schließlich sitzt beim Sex niemand mit einer Stoppuhr daneben und misst, ob ein vorzeitiger Samenerguss vorliegt.
In diesem Video beantworte ich die Frage: “Wann spricht man von vorzeitigem Samenerguss?” – “Woran macht sich zu-früh-kommen fest?”
Definition und Diagnose vorzeitiger Samenerguss
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird vorzeitiger Samenerguss im ICD-10-Katalog unter F 52.4 als “Unfähigkeit, die Ejakulation ausreichend zu kontrollieren, damit der Geschlechtsverkehr für beide Partner befriedigend ist” definiert. Diese Definition verdeutlicht, dass es weniger um eine exakte Zeitspanne geht, sondern um die Fähigkeit zur Kontrolle der Ejakulation und die damit verbundene Zufriedenheit beider Partner.
Medizinische und psychologische Definitionsversuche nehmen oft die Zeit als Grundlage. Es wird gesagt, dass bei betroffenen Männern zwischen dem Einführen des Penis und dem Orgasmus 0 bis 2 Minuten liegen. Eine andere Definition spricht von weniger als sieben Beckenbewegungen. Studien zeigen jedoch, dass die Dauer der Penetration keine verlässliche Größe zur Diagnose von vorzeitigem Samenerguss ist. Die durchschnittliche Penetrationsdauer in Deutschland beträgt 3 bis 7 Minuten. Viele Männer empfinden 1 bis 3 Minuten als völlig normal und ausreichend, während andere darunter leiden, dass sie nur 3 Minuten durchhalten.
Subjektives Empfinden und verschiedene sexuelle Praktiken
Ein wichtiger Aspekt bei der Diagnose ist das subjektive Empfinden. Männer, die unter Ejaculatio praecox leiden, berichten oft, dass sie den Zeitpunkt ihrer Ejakulation nicht bestimmen können. Sie erleben die Ejakulation als unwillkürlich und nicht kontrollierbar. Meistens geschieht dies so früh, dass der Sex sich noch gar nicht richtig entwickeln konnte und sowohl der Partner als auch sie selbst nicht auf ihre Kosten kommen. Ein zentrales Merkmal ist das Gefühl der Unzufriedenheit nach der Ejakulation. Männer, die unter Ejaculatio praecox leiden, fühlen sich nach dem Samenerguss nicht zufrieden, sondern deprimiert und gedrückt. Sie haben oft das Gefühl, versagt zu haben und weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückzubleiben.
Psychologische Aspekte und Therapieansätze
Ein hoher Anspruch der betroffenen Männer besteht oft darin, die Partnerin oder den Partner zum Höhepunkt zu bringen. Die meisten Männer, die unter vorzeitigem Samenerguss leiden, erleben ihren Orgasmus als unbefriedigend und flach. Es fühlt sich an, als ob sie sich nicht zurückhalten können und ihnen unwillkürlich die Energie herausrieselt. Hier wird deutlich, dass der psychologische Aspekt eine große Rolle spielt. Männer, die wegen vorzeitigem Samenerguss eine Sexualtherapie aufsuchen, sind oft so sehr mit der Angst, wieder zu früh zu kommen, beschäftigt, dass Sex fast schon zur Qual wird. Sie rechnen damit, erneut enttäuscht zu werden und nicht ausreichend durchhalten zu können.
Sex ist immer unterschiedlich. Manchmal hält man länger durch, manchmal kürzer. Manchmal ist der Sex bewegend und berührend, ein anderes Mal eher mechanisch und flach. Männer, die wegen vorzeitigem Samenerguss eine Sexualtherapie aufsuchen, berichten oft, dass die Angst vor dem Versagen so stark ist, dass sie sich gar nicht mehr auf das „Liebesspiel“ einlassen können. Wenn Sex oder schon die Vorstellung daran zur Belastung wird, ist es ratsam, professionelle Unterstützung im Rahmen einer Sexualtherapie aufzusuchen.
Therapieansätze bei vorzeitigem Samenerguss
Die Therapie von vorzeitigem Samenerguss kann verschiedene Ansätze umfassen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Ursachen des Betroffenen eingehen. Zu den gängigen Therapien auf dem Markt gehören:
- Verhaltenstherapie: Diese Methode zielt darauf ab, die Kontrolle über die Ejakulation durch spezifische Übungen zu verbessern. Techniken wie die Stop-Start-Methode oder die Squeeze-Technik können helfen, die Ejakulation zu verzögern.
- Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente wie Antidepressiva oder lokale Betäubungsmittel verschrieben werden, um die Sensibilität zu reduzieren und die Kontrolle zu verbessern.
- Psychotherapie: Eine tiefenpsychologische oder kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, die psychischen Ursachen des vorzeitigen Samenergusses zu identifizieren und zu bearbeiten. Hierbei wird oft auch die Beziehung zum Partner mit einbezogen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Wir empfehlen eine spezialisierte Sexualtherapie, da sich nur wenige Psychotherapeuten mit diesem Thema auskennen. Hier Infos über eine qualifizierte Sexualtherapie.
- Paartherapie: Da vorzeitiger Samenerguss oft Auswirkungen auf die Beziehung hat, kann eine Paartherapie sinnvoll sein. Diese hilft, Kommunikationsprobleme zu lösen und gemeinsam an einer zufriedenstellenden Sexualität zu arbeiten.
Wissenschaftliche Studien und Quellen
Studien haben gezeigt, dass die Kontrolle der Ejakulation durch verhaltenstherapeutische Ansätze signifikant verbessert werden kann. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2016 ergab, dass die Stop-Start-Methode und die Squeeze-Technik effektive Mittel sind, um vorzeitigen Samenerguss zu behandeln (Quelle). Eine weitere Studie aus dem Jahr 2019 bestätigte, dass Antidepressiva wie Dapoxetin effektiv die Ejakulationszeit verlängern können (Quelle). Zudem haben psychotherapeutische Ansätze gezeigt, dass sie das Selbstbewusstsein und die sexuelle Zufriedenheit der Betroffenen erhöhen können (Quelle).
Rolle der Partnerin oder des Partners
Die Partnerin oder der Partner spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von vorzeitigem Samenerguss. Eine offene und unterstützende Kommunikation kann helfen, den Druck zu verringern und gemeinsame Lösungen zu finden. Partner sollten ermutigt werden, ihre Bedürfnisse und Wünsche offen zu äußern und gemeinsam mit dem Betroffenen an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten.
Buchempfehlung: Lust statt Frust
Für vertiefende Informationen und praktische Tipps empfehlen wir das Buch “Lust statt Frust” von Robert A. Coordes, unserem Institutsleiter, erschienen im Goldmann Verlag 2023. Es bietet wertvolle Einblicke und Ratschläge für ein erfülltes Sexualleben. Weitere Informationen finden Sie hier auf der Webseite.
Fazit
Vorzeitiger Samenerguss oder Ejaculatio praecox ist eine weit verbreitete sexuelle Störung, die sowohl medizinische als auch psychologische Ursachen haben kann. Entscheidend ist das subjektive Empfinden des Betroffenen und die Zufriedenheit beider Partner. Eine genaue Diagnose und individuell angepasste Therapieansätze können helfen, die Kontrolle über die Ejakulation zu verbessern und die sexuelle Zufriedenheit zu steigern. Bei anhaltenden Problemen sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, um gemeinsam mit einem Therapeuten Lösungen zu finden und die Lebensqualität zu verbessern.
Für weitere Informationen und Unterstützung bei vorzeitigem Samenerguss bietet das Berliner Institut für Beziehungsdynamik professionelle Sexualtherapie an. Unsere Therapeuten sind darauf spezialisiert, individuelle und partnerschaftliche Lösungen zu finden, um eine erfüllte Sexualität zu ermöglichen. Vereinbaren Sie einen Termin für eine persönliche Beratung.