Es gibt sehr überzeugende Argumente dafür, dass die heutige als „normal“ definierte Art Beziehungen zu führen gesellschaftlich-politische Grundlagen hat. Allerdings helfen uns intelligente historische und biologische Abhandlungen selten, die für uns passende Beziehungsform zu gestalten, sondern dienen häufig eher dazu, persönliches Verhalten zu rechtfertigen und abzusichern
Im Paartherapie-Kontext zeigt sich das dahinterliegende Thema häufig sehr konkret: In jeder Beziehung gibt es „heimliche Absprachen“, die so wie Verträge die Beziehungsführung beeinflussen, ohne dass wir uns diese bewusst machen. So schließen viele Paare stillschweigend die Übereinkunft, dass mit Beziehungsbeginn es nur noch „die eine“ Frau oder den „einen Mann“ im Leben gibt. Mit dieser Person dann gilt es alles mögliche zu teilen, was vielleicht zuvor auf verschiedene Personen verteilt ausgelebt wurde. Vielfach ist es so, dass ein Partner, der vielleicht zuvor breitere Interessen hatte, beginnt, sich nur noch auf seinen Partner zu fokussieren – in der Hoffnung, dass auch der andere es ihm nachtut. Dadurch kann es sein, dass Interesse (emotionales wie auch sexuelles) anderen Menschen gegenüber tabuisiert wird. Wenn wider Erwarten dann doch einmal ein anderer Mensch interessant wird (was ja nicht ausgeschlossen ist, da es ja vor der Beziehung auch der Fall war), so kann es sein, dass das Interesse im Sinne der heimlichen Absprachen verdrängt wird, da man den Partner ja nicht „kränken“ möchte. Diese heimlichen Absprachen bergen immer auch die Gefahr, dass der Partner zum „Verhinderer“ der persönlichen Freiheit und Entfaltung wird und dass die persönliche Autonomie auf dem Spiel steht. In Beziehungen mit vielen heimlichen Absprachen (auch symbiotische Beziehungen genannt) kommt es oft vor, dass beide Partner einen unterschwelligen Kampf um Autonomie führen, obwohl sie vielleicht auf einer bewussten Ebene angeben, eine sehr „harmonische“ Beziehung zu führen. Wenn man zugibt, auch eigene, von der Beziehung unabhängige Interessen zu haben, befürchtet man den anderen zu verletzten oder gar zu verlieren, wenn man hingegen diese unterdrückt, droht das „Ersticken“ in der Verwobenheit der Zweierbeziehung. Genau hier liegt ein sehr zentrales Problem vieler symbiotisch-monogamer Beziehungen: in der Ausgrenzung und Tabuisierung „polygamer“ Tendenzen (die nicht immer sexuell sein müssen). Ziel der partnerschaftlichen Entwicklung ist allerdings nicht zwangsläufig, dass die Beziehung sich der praktizierten Polygamie öffnet, um zu funktionieren. Ziel ist es, die emotionale Freiheit zu erlangen, der persönlichen inneren Wirklichkeit Ausdruck verleihen zu können und sich nicht dem Partner gegenüber anpassen und verbiegen zu müssen. Dies führt in der Regel zu einer enormen Vertiefung der Zweierbeziehung selbst, da sich plötzlich wieder zwei Individuen begegnen und in ihrer Unterschiedlichkeit respektieren und begehren. Denn es sind die „faulen“ Kompromisse, die auch in Monogamen Beziehungen zur Entfernung des Partners führen.